Von: "Jürgen Kapeller" juergen.kapeller@tub.at
Betreff: AW: Urhebergraz2003
Datum: Dienstag, 13. November 2001 10:53sg.
herr faeulin,
vorerst einmal dankeschön, für dieses ausführliche
stellungnahme......
leider ist der rechtliche aspekt - in österreich
zumindest - nicht haltbar, da urheberrechte an lapidare wort-zahlen kombinationen nicht
vergeben werden können. ich denke, das minimum war mal irgendeine zeile aus einem
gedicht. Nicht mal werbetexte sind urheberrechtsfähing - deshalb gibt es auch gut -
besser - gösser und für die münchner freunde: gut - besser - paulaner (da passen die
würstchen wieder dazu...)
was ich aber sehr wohl mit genuss und freude gelesen
habe, waren die prinzipiellen überlegungen zur aufgabe einer 2003 organisations gmbh. und
in dem zusammenhang auch die aufgabe eines intendanten. Das deckt sich sogar soweit, als
dass auch ich die von ihnen verwendete anleihe ans lateinische genommen habe und durchaus
zum gleichen schluss komme. Es ergibt sich auch noch die frage, wessen
"intentionen" denn ein intendant, der aus öffentlichen mitteln intendieren
darf, jetzt verfolgen soll/muss. Seine eigenen? Wohl kaum, aber wer prüft das - die
stadt? Die wäre als öffentliche einrichtung nach dem substitutsprinzip eigentlich dazu
verpflichtet, jene der öffentlichkeit zu vertreten. Tut sie das? Schaut nicht so aus
(derzeit sehe ich nur "produktionsprojekte für orden, die sich politiker im rahmen
div. wahlkämpfe selbst anstecken"), und kontrolliert wird es bestenfalls
vierteljährlich von der kleinen zeitung...
Vielleicht sind es aber die intentionen der gesellschaft
selbst, einer lobby also, die sich liebenswürdigerweise programmbeirat nennt....
Wir wissen es nicht, denn transparent ist gar nichts....
Demokratie ist gar nichts...
Pluralität ist gar nichts...
Freiheit existiert nicht...
Es gilt lediglich das intendantenprinzip und das lautet:
wer sich mir nicht bedingungslos unterwirft, der ist gegen mich.
Sie haben es völlig richtig dargestellt:
Dieser kulturstadt-titel wird mit der auflage verliehen "... kulturelle und
künstlerische aktivitäten besonders zu fördern ..."
Fördern heißt in österreich offensichtlich
unterwerfen. Und klagen, wenn sich wer der unterwerfung entziehen will. Und wenn man
dafür seitens der öffentlichkeit in bedrängnis kommt, lügt man ungeniert (siehe
beigelegte mails) ....
Mich interessiert es so lange nicht, dieser gesellschaft
intensiv auf die finger zu schauen (die sollen ihren kram machen...), solange sie die ihr
übertragenen aufgaben (und es sind weiß gott genug) im konstruktiven sinne wahrzunehmen
bereit ist und keinen allmachtsanspruch stellt. Das tun sie aber derzeit sehr heftig und
darum sollten wir alle genau schauen, wozu diese selbstherrlichkeits gmbh. überhaupt
legitimiert ist.
Anders formuliert: Ich denke, dass es kein problem geben
wird, wenn die company klar deklariert, was und welche priojekte sie aus IHREM budget
bestreitet und was nicht, aber trotzdem allen andern die freiheit läßt, auf eigenes
risiko dinge auf die reihe zu bekommen - mit welchem geld auch immer und durchaus unter
der fahne von 2003 (da war doch dieses ominöse "2003 gehört allen
grazerinnen"). Sie hat eben die aufgabe der "besonderen förderung" und
nicht die einer bewilligungsbehörde und schon gar nicht hat sie das recht, dinge in den
mülleimer zu werfen, nur weil sie sie nicht finanzieren kann/mag.
Das alles rüttelt am grundverständnis menschlicher,
kultureller freiheiten hierzulande.
Wir sind aufgefordert, bei eu, bund, land nachzuforschen,
welche verträge wurden geschlossen, was ist aufgabe/auflage für die stadt und deren
helferlein. Ist die Vermarktung (im unternehmensgegenstand der 03 gmbh ist "marketing
für das ereignis..." angeführt) denn überhaupt vertraglich legitimiert (es müßte
schon definitiv als aufgabe/auftrag im eu-paper stehen, dass es wasserdicht ist - nur weil
es nicht ausgeschlossen wurde, wäre eine schwache basis)? Ist es usus, dass eine
gesellschaft im zuge einer kulturhauptstadt unwiderrufliche abtretungserklärungen des
verwertungsrechtes einfordert um sie dann später vielleicht teuer dem leo kirch zu
verscherbeln. Was wollen die denn überhaupt wie verwerten? Warum legen die keinen vertrag
vor, der die verwertungsrechte bis 31.12.2003 sichert (was logisch wäre) und diese dann
wieder an die künstler zurückfallen (wenn sie dann noch interessant sind?) Ist das nicht
alles ein getürktes spiel, wo man eine monopol-verwertungsgesellschaft gegründet hat mit
der man kunstschaffende lebenslang unter druck setzen will? Was ist der plan für die gmbh
nach dem 31.12.2003?
Ich trau mich wetten, dass man die gmbh ob ihrer tollen
leistungen natürlich weiterführen wird und zu einer (weil ja so erfahren), nein zu DER
grazer (kunst)veranstaltungs-gmbh umfunktioniert, die dann - ausgestattet mit
verwertungsrechten an allem möglichen - erstens alle anderen kleinen agenturen damit
locker aus dem markt blasen kann und zweitens als örtliche "institution" mit
vielen vielen arbeitsplätzen und noch dazu öffentlichem auftrag zum
dauersubventionsempfänger wird (kunst und kulturförderung unterliegt nicht dem
EU-wettbewerbsrecht...). Dann beteiligt sich vermutlich auch noch die kleine zeitung und
wir haben "stabile" verhältnisse und es dauert 15 jahre bis sich wieder eine
halbwegs selbstbewußte independent-szene bildet, die daneben überleben kann..
Aber wir wissen es eben nicht und ihr lieben künstler
seid vorsichtig (=kurzsichtig) genug, die frage nach dem "danach" solange zu
vermeiden, solange man noch irgendeine chance sieht, 20.000.-- aus dem ach so großen topf
abzubekommen...
beste grüße
jk |