Kassiber: Reply

Von: "joerg vogeltanz" joerg.vogeltanz@chello.at
Betreff: new economy - ein pyramidenspiel?
Datum: Sonntag, 04. November 2001 16:17

ich finde es immer erfrischend, wenn meine -von vielen als verschwörungsparanoia abgetanen- ansichten von dem, was üblicherweise als "new economy" (ich halte es für einen superschmäh NLP-geschulter manager ohne einen funken anstand und sozialdenken) bezeichnet wird, sich bewahrheiten.

wie auch im fall des angeblichen "domaingrabbing" von martin krusche. es überrascht mich in diesem land auch nicht weiter, dass man, wenn alle logischen und juristischen sachverhalte ganz logisch für krusche sprechen würden (würde man den so oft bemühten "gesunden menschenverstand" einsetzen), als letzte festung die der angeblichen lächerlichkeit als schutz aufbaut. ohne namen zu nennen: sätze wie "das hätte er sich ja denken können" oder "das hat er ja absichtlich als werbegag inszeniert" oder "da hat er sich wohl etwas übernommen" etc. hörte ich -auch von guten freunden- in den letzten wochen oft. ich denke, das ist wohl der neid derer, die nicht den mut besitzen, gegen sich-selbst-etabliert-habendes anzukämpfen. auch wenn es nur um die "vernunft" geht.

und ein kampf ist es allemal, vor allem gegen die dummheit der "konsumenten". beispiel gefällig? seit jahren höre ich von -zig leuten, der steirische herbst sei so fad geworden, die eröffnungen würden immer unspektakulärer und etablierter, die veranstaltungen seien ohne jegliche aktuelle brisanz oder spannung etc. und was geschieht? ALLE gehen hin, zahlen brav kartenpreise und maulen nachher, wie scheisse alles ist. aber -um wieder zu zitieren- "man muss sich dort sehen lassen". also, ICH muss mich dort auf keinen fall sehen lassen. vor allem will ich diese ewig gleichbleibende grazer pseudo-kultur-nerds-understatement-schickeria nicht sehen, die glaubt, nur weil man auf mangas steht und nicht ö-regional hört, sei man schon revolutionär. aber die "anderen" tun es und damit kann herr oswald oder sonst irgend ein würschtl, das als intendant angeworben wurde, im nächsten jahr hingehen und sagen: "es war SO ein publikumserfolg, wir brauchen NOCH eine million dazu heuer!"

(aber seien wir ehrlich: der einzige publikumserfolg ist die herbst-bar. da muss man nämlich nicht denken.)

und irgendwann, schwuppdiwupp, ist alles geld in einigen wenigen wasserschädlinstitutionen, die, wenn man -zu recht, meine ich!- auch etwas präsentation lokal ansässiger künstler fordert, einem patzig ausrichten lassen, "mit solchen anachronistischen formen des regionalismus" hätte man nichts zu tun. pfuh! soll heissen, man wird -so durch die blume- gleich in ein lager mit der fpö oder anderen reaktionären kräften gesteckt und mundtot gemacht.

was nur wenige sehen: das reaktionäre prinzip ist GERADE in solchen institutionen vorhanden (gerade die fpö besteht ja auch auf ihrer nähe zur new economy), wenn nicht grundlage derselben. es reicht eigentlich schon, wenn man einen "intendanten" sein eigen nennt. oder -gutbezahlte- "kulturarbeiter" (für mich sind das immer noch nützliche computerhacklerInnen, teilzeittelefonistInnen und keilerInnen), die damit ihren lebenslauf aufpeppen und geld fressen. ich warte ja schon lange auf ein englisches wort dafür. so wie "key account manager" oder "art director". "cultural communication officer" wär doch eine idee.

die reaktionäre kraft hat auch im fall des angebl. 2003-domaingrabbings wieder voll zugeschlagen! ich befürchte, das ist das letzte aufgebot einer dahinsiechenden kulturpolitik, die längst vergessen hat, worum es bei künstlerischer arbeit nach 1905 geht oder gehen müsste und einer justiz, die mit modernen medien und ihren grundlagen so vertraut ist, wie ein orang-utan mit einem videorecorder. wenn das 2003-büro soviel energie in die kreative umsetzung ihrer kulturhauptstadtaufgabe legen würde wie in den kampf um internetdomains, würde 2003 vielleicht ein bisserl interessanter werden. ich vermisse auch öffentliche stellungnahmen der kulturpolitischen verantwortlichen dazu.

alle, die interesse an einem freien internet ohne zensur, einschränkung und monopolismus besitzen und jene, die an einem offenen diskurs über kunst/kultur abseits von hochbezahlten festivalrenommeeprojekten arbeiten, sollten 2003 grundsätzlich boykottieren.

jv

 

ps: trotz intensiver kritik -da keine nachvollziehbaren folgenutzungspläne vorliegen- soll die murinsel nun doch erichtet werden. ein teures kulturolympisches dorf. nach 2003 nur mehr fassade für "events" von bierkonzernen und fussballclubs? bleibt nur zu hoffen, dass sich die verantwortlichen zumindest elegant aus der affäre ziehen, indem sie sich auf keine ausführende baufirma im in kürze anlaufenden auswahlverfahren einigen können und damit das thema gestorben sein wird. das ist zu hoffen.

aber um geld einzunehmen (graz ist hochverschuldet), werden halt lieber die blauen zonen räumlich und zeitlich(!!!) ausgedehnt. und alle fressen die krot. parkschein bis 21.00h? unlogisch! reines abkassieren.

die "blauen zonen" (im politischen sinn) im hirn der österreicher werden wohl weiter auch zunehmen.

armes land.

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