Kassiber #1: Martin Krusche

Kassiber #1

Die Kulturpolitik KÖNNTE uns wissen lassen: "Ihr Künstlerinnen und Künstler! Da draußen ist GELD. Geht los und holt es euch! Wir werden euch nicht im Stich lassen. Wir werden unsere Aufgaben nicht vernachlässigen. Ihr werdet weiterhin mit uns rechnen können. Aber lernt AUCH, wie man Budgets abholt, die von der Wirtschaft generiert werden. Ohne euch NUR an UNS zu klammern." Das könnte die Kulturpolitik vorschlagen. Es wäre eine zeitgemäße Position.

Wir könnten sagen: "Kunstschaffende standen einst im Dienst der Fürsten und Bischöfe. Sie hatten ihre Deals mit den wirtschaftlichen und politischen Eliten. Es spricht nichts dagegen, neue Erfahrungen zu sammeln, wie man heute zusätzliche Budgets für künstlerische Vorhaben lukriert. Draußen. Dort, wo das Geld nun mal ist, bevor die Abgaben an den Staat getätigt sind."

Wir könnten darin Konsens finden, daß das kulturelle Geschehen des Landes aus vielen Quellen gespeist wird und daß ALLE, die dabei mitmachen, sich für Budgets verantwortlich fühlen.

Die Kulturpolitik würde vielleicht ausrichten lassen: "Graz als Kulturhauptstadt Europas, das ist eine große Chance für euch. Wir haben rund 2,7 Milliarden (!) Schilling an öffentlichen Geldern in Bewegung gebracht. Damit Strukturen verbessert werden, ein vielfältiges, interessantes Programm in Gang kommt, damit Graz und die Steiermark für ein Jahr verstärkt weltweit ins Blickfeld gerückt werden. Also nützt die Gelegenheit, Leute, bringt euer kreatives Potential ein und macht möglichst auch gute Geschäfte. Denn nur wer gute Geschäfte macht, hat das nötige Geld, anspruchsvolle Projekte umzusetzen."

Und wir könnten sagen: "Okay! Wir suchen uns zusätzliche Wege künstlerische Vorhaben zu finanzieren, zu realisieren. Nehmt es bloß nicht als Vorwand, kulturpolitische Agenda aufzugeben und kulturelle Aufgaben des Staates zu suspendieren. Arbeiten wir dran rauszufinden, welche Modi auf der Höhe der Zeit sinnvoll sind."

Nun richtet uns die "Graz 2003 - Kulturhauptstadt Europas Organisations GmbH" via Kleine Zeitung aus:
"Wir suchen das Gespräch mit Martin Krusche und wollen kritische Auseinandersetzungen nicht unterbinden", betont PR-Chefin Astrid Luxemburger-Bader. Doch die Marke "2003" könne man nicht anderen überlassen, die versuchen aus der Nutzungsüberlassung des Domainnamens an die 2003-GmbH Geld zu schlagen.

Das heißt, die GmbH reduziert das ganze Ereignis auf eine VON IHR zu administrierende Großveranstaltung und ignoriert völlig die reale KULTURPOLITISCHE Dimension der Sache. Für Graz, die Steiermark, für das Jahr 2003. Im Klartext: hier schwingt sich eine Company zum Monopolisten auf, okkupiert das gesamte kulturelle und wirtschaftliche Terrain und schickt jenen, die sich nicht einreihen, ihre Advokaten. (Woher kommt das MANDAT für so eine Methode?)

War das SO von der EU intendiert? War das SO von Graz angelegt? Verträgt sich das SO mit dem dingfesten KULTURPOLITISCHEN Programm der das Landeskulturreferat innehabenden ÖVP?

>>Doch die Marke "2003" könne man nicht anderen überlassen,<< weil die daraus Geld schlagen wollen? Madame blickt sehr kurz.
• a) Diese Position ist völlig antiquiert, weil sie einer Auffassung vom Kunstbetrieb zuarbeitet, die ihre Verwertungslogik aus dem 19. Jahrhundert heraus entwickelt, aber schon Ende des 20. uasgespielt hat ... die für das 21. gar nicht taugt.
• b) Diese Weise kulturelle Großereignisse abzuwickeln und sich die monopolistische Kontrolle über die Verwertung künstlerischer Arbeit zu holen, diese Prozesse auch markenrechtlich abzuschotten, all das - wohlgemerkt - mit ÖFFENTLICHEN Geldern, ist kulturpolitischer Unfug.

Ist Herr Lorenz ein Künstler? Nein!
Ist Herr Gaulhofer ein Künstler? Nein!
Ist Herr Schrempf ein Künstler? Nein!
Ist Frau Luxemburger-Bader eine Künstlerin? Nein!

Sie sprechen die Sprache von Kaufleuten; wogegen nichts einzuwenden wäre. Wenn sie uns nicht mit einem "Alleinverwertungsanspruch" vor der Nase säßen.

Die kulturpolitischen KONSEQUENZEN, die sich aus Ihrem HANDELN ergeben, befördern ein völlig ANTIQUIERTES Konzept. Dieses Konzept, wenn es unwidersprochen bleibt, wird der Steiermark SCHADEN, wird manch möglichen Nutzen des Großvorhabens "Graz 2003" in Nichts auflösen. Umso mehr, als wir nun schon jahrelang nachteilige Erfahrungen damit machen, wie manche groß budgetierte Event-Konzepte Strukturen und Arbeitsbedingungen heimischer Kunstschaffender beschädigen.

Betroffene äußern sich dazu nur zaghaft, weil es nicht sehr ermutigend ist, sich aus meist schwacher SOZIALER Position mit den potentiellen Budgetgebern anlegen zu müssen.

Seitens der Kulturpolitik habe ich bisher in der Sache nichts vernommen. Ich halte mich also vorerst an die Geschäftsführung der 2003-Comopany.

Sie werden daher, meine Dame und meine Herren, sich in unserer KONTROVERSE dieser Debatte STELLEN müssen. Und sie werden BEWEISEN müssen, worin sich die Lage steirischer Kunst- und Kulturschaffender durch Ihr HANDELN und ihre Konzepte verbessern wird.

• 2003 ist ein Jahr, das uns allen gehört.
• Graz ist die Stadt, in deren Großraum wir leben und langfristig arbeiten. (Sie auch?)

Graz und 2003 wollen SIE als MARKE geschützt wissen? Vor mir und meinen Kooperationspartnern? Vor anderen Aktiven?

Wir haben nun ein JAHR Zeit, in diesen Fragen voranzukommen. Wenn 2002 herum ist und Graz 2003 als Kulturhauptstadt Europas im internationalen Rampenlicht steht, werden wir unter GARANTIER sehr viel mehr darüber wissen, wovon Ihre Position handelt und wohin sie zielt.

Das Gebot der Stunde lautet daher: OFFENE und ÖFFENTLICHE Diskurse zur SACHE. Und das meint NICHT den Gerichtssaal.

Empfehle mich!
Der Krusche
03. November 2001

P.S.:
Ich darf folgende Kulturgruppierungen, die unseren Standpunkt nachvollziehen konnten und mit ihrer Unterstützungserklärung bekräftigten, für die zu führenden Diskurse ins Boot bitten:
• IG Autorinnen Autoren
• IG Kultur Österreich
• Grazer Autorenversammlung
• konsortuium.Netz.kultur
...sowie jede engagierte Person und Gruppierung, die dazu beitragen möchte, herauszuarbeiten, welche BEDINGUNGEN den zeitgemäßen Aufgaben Kunst- und Kulturschaffender heute entsprechen. Wir möchten dem eine Plattform geben und Arbeitsbedingungen... möchten auch gerne an einschlägigen Vorhaben anderer teilhaben. Um ERGEBNISSE zu generieren. Als Beitrag zum Jahr 2003.

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