Hans Fraeulin

"Leiblichkeit und virtuelle Räume"


Asterix reaktionär? P.S.

>>ps: ich darf aber schon trotzdem noch asterix reaktionär finden, oder..?<<

Lieber Jörg,

Asterix ist lahm, fad, öd - und es ist quasi Pflicht für einen aufstrebenden Cartoonisten wie Dich, diesen Comic beschissen zu finden. Aber reaktionär ist er nicht. Reaktionär ist eine Geisteshaltung, die sich prinzipiell und sofort gegen jeden neuen Vorschlag ausspricht oder sogar Gegenmaßnahmen in die Wege leitet. Das kann man Uderzo und Goscinny nicht unterstellen. Sie waren vielleicht konservativ, auch so eine Kategorie, aber auch nur in dem Sinne, dass ihre Geschichten eine Fortsetzung haben sollten, damit der Geldhahn nicht abgedreht werde. Der Regionalismus ist eine klare Absage an den Nationalismus, der in Frankreich auch imperiale Züge trägt. Dem Empereur Napoleon war die willkürliche Einteilung des Landes in 90 Departements zu verdanken, mit denen über Sprachen und Regionen drübergefahren wurde. Daher war die Rückbesinnung auf gewachsene Siedlungsräume immer mit Widerstand gegen die Staatsgewalt verbunden. Mit Österreich ist das nicht zu vergleichen. Wer in Frankreich oder seinen Departements „outre mer“ geboren wurde, ist Französin oder Franzose wie mein Onkel, der in Kriegsgefangenschaft (WK1) in Bordeaux geboren wurde. Von den französischen Regionalisten wird das nicht in Frage gestellt. Wer in der Auvergne geboren ist, ist einer aus der Auvergne. Anders in Österreich.

Hätte ich die Mutter meiner Kinder geheiratet, wären sie in Österreich Ausländer. Und weil meine Wurzeln nicht in Tirol sind, bin ich in deren Augen ein Arschloch. Denke ich an Kärnten in der Nacht...Der Leiter der dortigen Wirtschaftskammer hat im Standard penibel aufgelistet, welchen Schaden der Nationalchauvinismus in Kärnten angerichtet hat und täglich anrichtet. Das hat mit Patriotismus nichts mehr zu tun, auch nicht mit dieser strengen amerikanischen Variante nach 9/11, sondern ist ein unerträgliches Amalgam aus Rassismus, Revanchegelüsten und Xenophobie. Natürlich ist Regionalismus nicht Regionalismus.

Es gibt diese durchgeknallten Varianten der „wahren“ IRA und der ETA, die Regionalchauvinisten der Lega Nord und allerhand ausgesprochen seltsame Bestrebungen, die es nicht mehr geben würde, höchstens als schießwütige Verbrecherbande, wenn man die Leute darüber entscheiden ließe, was sie selber entscheiden können.

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Hans Fraeulin

Ließe man allerdings den Steirern freien Lauf und einen Eisenbahntunnel durch den Semmering bauen, gäbe es wahrscheinlich eine böse Überraschung, weil man feststellen würde, dass kein einziger Zug zusätzlich zwischen Wiener Neustadt und Bruck an der Mur verkehren könnte. Derlei Unsinn mehr hat man auf Betteln der Steirer des öfteren getan – mit Geld aus der Hauptstadt finanziert. Seither fahren täglich 27000 Brieftaschen und Kreditkarten im Finstern an Graz vorbei und wie zum Trotz baut man noch einmal so eine Röhre um teures Geld durch den Plabutsch. Jahre lang haben bis zu 60 Geschäfte in der Grazer Annenstraße leergestanden. Dann besitzt die Steiermark eine eigene Eisenbahn und könnte um den Preis von zwei Weichen im Peggauer Bahnhof einen Zubringer-Shuttle zum Grazer Flughafen einrichten.

Das sagt man den Verantwortlichen vielleicht ein Dutzend Mal und erntet überall mildes Lächeln. Es gibt allerhand regionale Torheiten. Ich will Dich nicht mit weiteren behelligen. Der Vorteil der französischen Regionalisten besteht zweifellos darin, dass sie im Kampf gegen die Torheiten der Zentralregierung noch nicht viel Gelegenheiten für eigene Torheiten hatten. Vielleicht verschaffst Du mir einmal eine Verbindung zu Deinen französischen Kollegen.

Liebe Grüße,
Dein Hans.

 

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