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Kulturverlust ...


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v@n-Diskurs, im Kaminzimmer (im Erdgeschoß)
[12/98]

 

Wie geht das?

 

Von
Michael
Petrowitsch

 

Als der "Artikel-VII-Kulturverein für Steiermark" im Sommer d. J. aufgrund politisch-ideologischer Gründe von einer Nebenveranstaltung eines südsteirischen Theaterfestivals, wie im übrigen von der Gesamtveranstaltung, ausgeschlossen wurde, kursierte als passende Entschuldigung im internen Bereich auf die Frage der Medien nach dem "Warum" unter anderem ein Statement, das die Crux dieser spezifisch steirischen Situation in wenigen Worten widerspiegelt: "Es handle sich hiebei ja um ein Treffen von Kulturinitiativen und nicht von Minderheitenorganisationen." Nation, Ethnie, Kultur: wie kriegen wir das zusammen?

 

Identität, eine üble Gesellin.

In der Südsteiermark leben Menschen, die die slowenische Sprache sprechen und sie tun das meist dann, wenn nichtslowenisch Sprechende nicht dabei sind. Sich in slowenischer Sprache zu äußern ist nach wie vor negativ konnotiert, einst wie heute. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts lebte die deutschsprachige und die slowenischsprachige Bevölkerung in Koexistenz. Im 19. Jahrhundert begann man eine Sprachgrenze quer durch das Herzogtum Steiermark zu ziehen, der nach dem Ersten Weltkrieg eine neue Staatsgrenze folgte. Jedoch verblieben nach St. Germain einige zweisprachige Gebiete im Territorium des heutigen Österreich. Diese Gemeinden waren seit dem vorigen Jahrhundert starkem Assimilations- und Akkulturationsdruck ausgesetzt. "Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Slowenische durch verschiedene politische Ereignisse als Sprache der Serben stigmatisiert und war damit für die politisch und gesellschaftlich nur Deutschsprechenden nicht mehr akzeptabel." schreibt die Historikerin Haberl-Zemljic, selbst Angehörige der Minderheit, in ihrer Dissertation über ihrer Heimatregion Radkersburg-Umgebung. Der "Artikel-VII-Kulturverein für Steiermark" versucht dieses Stigma seit 1988 zu thematisieren.

 

Wo ist die Mehrheit?

Die Beschwörung der Freundschaft zwischen der offiziellen Steiermark und der Republik Slowenien täuscht darüber hinweg, daß es in beiden Ländern noch Minderheitenprobleme gibt, die in ihrer Unberührtheit nur darauf warten, zum Spielball des “zukünftigen Europa” zu werden. Auf österreichischer Seite wird von einschlägigen Kreisen mit Winterstürmen, die dem Wonnemond folgen, gedroht, wenn es um die EU-Intentionen Sloweniens und der damit verbundenen Anerkennung der deutschösterreichischen Volksgruppe in Slowenien geht. Ein Schreiben von Landeshauptfrau Klasnic an den slowenischen Präsidenten Kucan formuliert das bisher die Anerkennungsfrage unterschwellig regierende Prinzip des Junktims geradewegs aus.

Diese Haltung setzt sich auf Gemeindeebene fort. Geht es bei grenzüberschreitenden Kulturkooperationen vordergründig darum, Grenzen abzubauen, scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. So hofft man nach dem Versuch, die “Grenze verschwinden zu lassen” und damit einen karnevalsartigen Zustand herbeizuführen, anschließend aschermittwochsartig wieder schleunigst zur Normalität zurückzukehren. Die Konfrontation einer imaginären reinen deutschösterreichischen Kultur auf der einen Seite mit einer rein slowenischen auf der anderen versucht, dem Mythos von der real existierenden reinen Ethnie Rechnung zu tragen, und fungiert im wesentlichen als erbrachter Praxisnachweis des von der Neuen Rechten postulierten ethnopluralistischen Europa. So werden gutgemeinte interkulturelle Veranstaltungen zu Manifestationen umstilisiert, die in die Kerbe eines ethnisierten Begriffs von Kultur schlagen. Der Minderheitenfrage im eigenen Land wird damit elegant ausgewichen.

Der Rassismusforscher Léon Poliakov hat wiederholt darauf hingewiesen, wie früh in der deutschen Geschichte die permanente Verwechslung von “Blut” und “Sprache” gleich “Kultur” auftrat, deren verhängnisvoller Gipfel nichts daran änderte, diesen “Irrtum” heute noch zu perpetuieren. Sprache, Geschichte und gemeinsame Abstammung sind somit die Stützen der Nation. Daraus folgt, daß der Zweisprachige einen Teil seiner Identität, wenn er sein Heim verläßt, abzulegen hat. Das Slowenische wurde somit zur Privatsache und verschwand im Untergrund.

Bei grenzüberschreitenden Kooperationen zwischen der Steiermark und Slowenien, seien es Schulpartnerschaften oder Kulturveranstaltungen, die sich bedeutungsschwanger in ihrer spezifischen bürgerlichen Kunst- und Kulturauffassung suhlen, gibt das “Feste”, das “Starre” nur vor, flüssig zu werden. Weltbildkonzepte, die Begriffe wie “Fluten” und “Meer” als Gegensatz zu “Überschaubarkeit” und “Geordnetheit” definieren, zeigen ihre völkisches Gesicht. Interkulturalität wird zur galanten Spielerei der Mehrheit.

 

Geht´s gut?

So die zynisch-ahnungslose Frage eines Journalisten bei einer Pressekonferenz in Graz: “Wird da unten jemand unterdrückt, geht es da jemandem schlecht?” oder der Hinweis eines sich in den Mittdreißigern befindenden Kulturarbeiters vor Ort “er hatte auch aus der Volksgruppe stammende zweisprachige Mitschüler in der Klasse “und denen wäre es auch nicht schlecht gegangen”. Mit diesen Argumenten wird strategisch geschickt dem eigentlichen Problem ausgewichen und eine kulturpolitische Frage auf eine Lächerlichkeit herunterstereotypisiert. Unterschwellige "Slavophobie" zeigt seine Fratze im täglichen Sprachgebrauch:

So wurde eine Megaausstellung, die in diesem Sommer in Graz über die Bühne ging, in einer Stadtzeitung als Touristenmagnet für den süddeutschen und norditalienischen Raum ("wie zum Beispiel Mailand" sic!) gepriesen. Die germano-italische Kulturachse ist somit weiterhin präsent, während dem Raume näher liegende Staaten im Bewußtsein der VerfasserIn für die Rezipienten einfach nicht in Frage kommen. Slavische Kulturvölker? Unvorstellbar!

Das Prinzip des “Unten”, das Slavoj Zizek einmal so treffend am Beispiel der Volksgruppen Jugoslawiens exemplifizierte, spielt auch hier alle Stück´ln:

Idiome wie “von unten kommen”, “unten sein”, “zu denen da unten nicht dazugehören wollen” sind im steirischen Sprachschatz absolut präsent und korrelieren mit jener spezifischen Form von Rassismus, der sich nicht vulgär auf pseudobiologistische Erkenntnisse, sondern subtil auf eine bestimmte “Existenzform” bezieht. Bis zur letzten Jahrzehntwende war es in manchen Redewendungen durchaus adäquat, Slowenien mit dem “Verderbnis an sich” gleichzusetzen. Ein geflügeltes Wort in der Kindheit, die der Verfasser teilweise in der Südsteiermark verbrachte, war dem ungezogenen Kind anzudrohen “von den windischen Titopartisanen geholt zu werden”, die dann mit einem “runter über die Grenze verschwinden würden”. Das damit transportierte Konnotat des dunklen, unberechenbaren Raumes bewirkt Jahre später noch ein Grauen in einem.

Genauso ist der verzweifelte Ausruf eines Volksgruppenmitglieds zu verstehen: “Wer ist die Mehrheit und wer ist die Minderheit, wir waren immer nach Graz hin orientiert und nie nach Laibach”. Berechtigte Ängste wie diese, weisen auf ein Manko in der offiziellen steiermärkischen Geschichtsarbeit hin. Solange sich diese in einem Leerraum befindet, haben populistische Kräfte, die eine Einslowenisierung/Titoisierung der Südsteiermark an die Wand malen, leichtes Spiel.

Zeitzeugen fühlen sich an das Südkärnten der 70er Jahre erinnert, wenn Betroffene und somit Vertreter der Minderheit aufstehen und sagen: "Ich spreche zwar slowenisch, bin ich aber deswegen Slowene?". Sätze wie diese zeugen von Furcht und unbewältigter bzw. verdrängter Identität. Es ist Aufgabe der Minderheitengesetzgebung, genau in dieser offen gestellten Frage zu intervenieren und Aufgabe der verantwortlichen Stellen, diese Ängste zu nehmen.

 

Sozialer Druck/Schweigen

Ein junger engagierter der Volksgruppe angehörender Südsteirer hätte im Namen des Vereins im letzten Jahr zu einer Volksgruppentagung in Kärnten fahren und den Istzustand der Volksgruppe in Form eines Vortrages aufbereiten sollen. Eine offensichtliche Kopfwäsche durch das soziale Umfeld (“keine Arbeit mehr im Bezirk finden”, “von allen gemieden werden” etc.) bewirkte ein Umdenken über Nacht und den Entschluß sich trotz persönlicher Betroffenheit aus logischen Gründen nicht mehr zu engagieren.

Wenn ein Gemeindevertreter sagt, es sei in Sachen "Minderheitenpolitik halt jahrzehntelang nichts passiert", oder ein Volksgruppenangehöriger sich lieber in einem "slowenischen Kegelklub" heimisch fühlen würde, denn als "Angehöriger einer Minderheit" definiert zu werden, verweist dies auf die Praxis einer Politik des Verschweigens.

In der Südsteiermark bekommt das von Lebert so gekonnt aufbereitete Sujet des "Schweigens" seine traurige präsente Entsprechung: "Man definiert sich durch Schweigen, und wer dieses Schweigen durchbricht, muß im hiesigen Wertesystem von "oben" sanktioniert werden." schreibt Haberl-Zemljic in ihrer Dissertation in Anspielung auf die Situation der Volksgruppe und der Minderheitensprache. Ein ganzer Landstrich namens "Schweigen", der ähnlich dem Lebertschen Dorfe, unfähig ist, seine Vergangenheit zu artikulieren und dem von Verwaltungsseite keine Hilfestellung geboten wird.

Ohne das Bereitstellen von Strukturen von seiten der Landesführung, die eine endgültige Enttabuisierung der slowenischen Sprache im Land Steiermark einleiten würde, das "slawische Element" in seiner Landesidentität anerkennen und damit dem fortschreitenden Kulturverlust Einhalt gebieten würde, ist die drohende vollkommene Akkulturation der slowenischen Volksgruppe nicht aufzuhalten.

Feedback: clen7@sbox.tu-graz.ac.at

 

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