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Vom Gemeinsinn initiativer Kulturarbeit


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v@n-Diskurs, im Kaminzimmer (im Erdgeschoß)
[18/98]

 

 

 

Von
Martin
Wassermair

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Wenn Andreas Khol, wie vor kurzem erst geschehen, für einen "Aufbruch zur Bürgergesellschaft" als persönliches "politisches Credo" zu Papier und Bleistift greift, reagieren Teile der Öffentlichkeit zunächst aufgeregt und irritiert. Sicherlich, die Gründe dafür liegen zum Großteil im konservativen Wertehintergrund des Bekenntnisschreibers. Der autoritäre Gestus verträgt sich nun einmal nicht mit den Merkmalen des liberalen "citoyen", der etwa dem Traditionenreichtum Frankreichs ungebrochenen Glanz einer tief verinnerlichten Republik verleiht. Die Beunruhigung hat aber auch viel mit jener Ahnungslosigkeit zu tun, wie denn dem allgemeinen "Verlust des Gemeinsinns" politisch korrekt zu begegnen sei, um damit auch die Repolitisierung des Bürgers zur Partizipation an der Gesellschaft zu erzielen. Die Politikwissenschafterin Antonia Grunenberg hat die Zusammenhänge dargestellt (Werkstattblätter, Nr. 1b, Feb. 1998, 10. Jg.), die historischen Versäumnisse und ihre Wirkung in die Gegenwart. Bei der Empfehlung, mit Blick auf die Zukunft in vielfacher Hinsicht umzudenken, wurde jedoch auch sie nicht so recht konkret. Vor allem nicht in der Frage, wer eigentlich - im momentan noch frühen Stadium der Entwicklung - erste Pionierschritte in diese Richtung unternimmt. Vielleicht können Einblicke in den Mikrokosmos zivilgesellschaftlicher Experimente ein klein wenig Abhilfe verschaffen.

Seit nunmehr schon drei Jahrzehnten verfolgt österreichweit eine Vielzahl kultureller Initiativen das eine Ziel, die schlimmsten Defizite der vor-modernen Kulturnation auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Gleich, ob in der Stadtteilkulturarbeit oder durch das offensive Vordringen in die regionale Welt von Gestern - die Aktivitäten vertreten das demokratiepolitische Prinzip, Kultur in ihrer Vielfalt zu begreifen, als soziales Erfahrungsfeld und zugleich als Gestaltungsmöglichkeit. Dem Staate, der Herrschaftsform gesellschaftlicher Organisation, stand fortan das private Konzept der freien Kulturinitiativen gegenüber, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil: Die Szene hat sogar merklich zugelegt. Zum einen ist ihr Umfang stetig im Anwachsen begriffen, andererseits hat sie ihr Aktionsprofil mit zunehmendem Alter als überaus wirksam konturiert.

Daß diese Initiativen das Verständnis eines Kulturangebotes "von unten" nicht zuletzt auch mit politischen Ansprüchen verknüpfen, davon zeugt alleine schon die repressive Konsequenz der Anfeindung und manchmal auch ein drastischer Einschnitt bei der Vergabe der erforderlichen Subvention. Die Unbeirrbarkeit, von eigenen Vorhaben dennoch nicht abzurücken, ist zwar kein leichtes Unterfangen, angesichts des Rückzugs der Politik aus entscheidenden Bereichen des öffentlichen Lebens allerdings auch Notwendigkeit. Initiative Kulturarbeit wird somit zu politischer Kulturarbeit, eine "Gegenstrategie", die sich, wie es Gerald Raunig, der neue Vorsitzende der "IG Kultur Österreich", formulierte, "nicht nur mit der Reflexion ihrer selbst, sondern auch der gesellschaftlichen Bedingungen befaßt". Wie aber sieht die "Gegenstrategie" wider den "Verlust des Gemeinsinns" nun tatsächlich in der Praxis aus?

Der Kontext, in dem Kulturinitiativen eingebettet sind, liegt zuallererst im kommunalen Raum. Die Gemeinde bildet das soziale Umfeld, sie umfaßt den Radius der kulturellen Tätigkeit. Die Gemeinde ist es aber auch, die sich aus der gegenwärtig virulenten Krise zuallererst einen Ausweg bahnen muß. Deren Kennzeichen sind Arbeitslosigkeit, neue Armut, schwindende Solidarität und Fragmentierung. Der Staat, so scheint es, schickt zunächst seine kleinste Einheit als Speerspitze in das Feuer einer sich global abzeichnenden Wirklichkeit. Die lokal Verantwortlichen erweisen sich schnell als restlos überfordert, ihre Defensive ist die Folge, was wiederum der Politikverdrossenheit neue Nahrung gibt. Ein Teufelskreis also, der nunmehr Kulturinitiativen auch die Reformgelegenheit eröffnet, die bisher zugeschriebene Rolle der Bittsteller selbstbewußt zurückzuweisen und der Politik von nun an partnerschaftlich zur Seite zu stehen. An diesem Punkt findet sich Grunenbergs Überlegung einer "freien Bürgergesellschaft" wieder, "die dem modernen Staat nicht nur als Empfängerin, sondern auch als Spenderin gegenübertritt". Und dieser Beitrag, von dem hier ganz allgemein die Rede ist, ist im Zusammenhang mit Kulturinitiativen kein geringer. Als Laboratorien des gesellschaftlichen Miteinanders verfügen gerade sie über ausreichend Erfahrung, wie Kunst und Kultur als Intervention mit sozialer Anbindung im alltäglichen Leben wirksam wird.

Eines der anschaulichsten Beispiele konkreter Intervention bietet bereits seit Jahren die Projektarbeit der Wiener Künstlergruppe "WochenKlausur". Sie hat ihren Aktivitäten einen Ansatz zugrundegelegt, der "Kunst als Träger von gesellschaftlicher Verantwortung und Motor für Veränderung" versteht. Im Rahmen des "festival der regionen 1997" nahm man sich schließlich in der kleinen oberösterreichischen Gemeinde Ottensheim der Entwicklung partieller örtlicher Konzepte an, deren Intention es war, nachhaltige Weichenstellungen vorzunehmen. Das allerwichtigste dabei: Bürgerbeteiligung sollte mehr als bloß ein Schlagwort sein. "Frühzeitige Einbindung", so die grundsätzliche Erklärung, "schafft jene Transparenz, die gerade von den Bürgern so oft eingefordert wird. Aktive Mitarbeit über die reinen Eigeninteressen hinaus führt zu mehr Verantwortungsbewußtsein für die Anliegen des Gemeinwesens". Das Projekt wurde zum durchschlagenden Erfolg. Die Jugendlichen im Alter von 10 bis 14 haben sich in Eigeninitiative die längst überfällige Skaterbahn errichtet, und auch die Senioren der Gemeinde gehen nach Bildung einer Kommunikationsgruppe in Hinkunft verstärkt gemeinsam vor. Ihr erstes Ziel ist die Wiederbelebung des Marktplatzes, denn nur durch solcherart Aufwertung der Zentren bleibt die Nahversorgung für alte Menschen dauerhaft bestehen.

"Kulturarbeit ist unsere republikanische Verankerung" - Wolfgang Kos hat in einem Interview gegenüber der "Kulturplattform OÖ." die politische Dimension der Kulturinitiativen auf den Punkt gebracht und deren Legitimtität einmal mehr bestärkt. Als zentraler Leitgedanke fand sie in diesem Sinne auch Eingang in das neu erarbeitete Programm. Andreas Khol ist somit in guter Gesellschaft. Denn unter dem Titel "zuMUTungen" hat auch der Dachverband der oberösterreichischen Kulturinitiativen Anfang des Jahres eine Sammlung konkreter politischer Maßnahmen und Visionen zu Papier gebracht, die der Kulturentwicklung dieses Landes einen vielversprechenden Weg in die Zukunft weist. Und damit der "Aufbruch zur Bürgergesellschaft" nicht alleine dem Verordnungsweg "von oben" vorbehalten bleibt, sprechen auch die "zuMUTungen" ein zutiefst politisches Credo aus: Kulturpolitik erfordert MUT, initiative Kulturarbeit ist der Entwicklung des Gemeinwesens zuMUTbar.

Feedback: gfk.ooe@servus.at

 

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