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Künstlerinnen und Künstler, flieht Österreich!


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v@n-Diskurs, im Kaminzimmer (im Erdgeschoß)

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Von
Hans Fraeulin

Wer auch immer beabsichtigt, als Kunstschaffender seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sollte Österreich so bald wie möglich verlassen und sich den Wohnsitz woanders suchen. Christoph Ransmayr und Felix Mitterer haben sich in Irland niedergelassen - eine gute Wahl.

Wer auch immer die Hoffnung hegt, mit seiner Kunst in etwa so viel verdienen zu wollen wie ein österreichischer Facharbeiter, sollte Österreich verlassen, bevor es zu spät ist, bevor ihm die Steuerfahndung vorrechnet, daß 64 und mehr Prozent seines Einkommens dem österreichischen Staat zukommen.

Zur Zeit hat es den Anschein, daß man den Staatshaushalt mit den Abgaben österreichischer Künstler und Künstlerinnen ausgleichen will. Die österreichischen Steuerprüfer schwärmen vor allem in Künstlerkreisen aus, nachdem in der gewerblichen Wirtschaft offenbar nichts mehr zu holen ist.

Im Gegensatz zu den Gewerbetreibenden können Kunstschaffende so gut wie nichts von der Steuer absetzen. Wer glaubhaft machen will, daß er profil nur deshalb liest, um es Thomas Bernhard gleichzutun, hat schon verloren. Die Einrichtung eines Ateliers oder Büros ist zitzerlweise über zehn Jahre abzuschreiben. Ein Computer kann nur über fünf Jahre in Teilbeträgen als Ausgabe geltend gemacht werden. Dasselbe gilt für gröbere Anschaffungen einer Künstlerwerkstatt, einen Druckluftkompressor, einen Schutzgas-Schweißset oder eine Kettensäge. Mit Mühe wird man nachweisen müssen, daß man als Bildhauer heutzutage mehr braucht als Hammer und Meißel. Wer sich gar den Luxus leistet, mit seinen Einkünften eine Galerie oder Kulturzeitschrift zu finanzieren, bekommt es knüppeldick: Hobby, bescheinigt einem die Finanz, steuerlich nicht absetzbar.

Rücklagen zu bilden, frühere Verluste vorzutragen, spätere Verluste anzumelden, alles, was Kapitalgesellschaften dürfen, um ihren aktuellen Gewinn über Jahre zu strecken, wird in Österreich den Selbständigen nicht zugestanden. Welche Schriftstellerin, welcher Schriftsteller auch immer vom großen Bucherfolg träumt, der es einem erlaubt, sich für das nächste Werk ausreichend Zeit der Reife zu lassen - man träume erst einmal drei Viertel weg oder so viel wie man Lust hat, aber besser in irischen Betten, die von irischen Steuerprüfern garantiert in Ruhe gelassen werden.

Künstlerinnen und Künstler, flieht Österreich! Gleichzeitig ergeht der Aufruf an alle österreichischen Beamten, die dadurch entstehende Lücke zu schließen. Kein noch so feiger Dilettantismus wird verschmäht werden, um das Niveau der österreichischen Kultur zu retten. Alle sollten sich ein Beispiel nehmen an Franz Grillparzer und Alfred Kolleritsch und ihre wertvolle Freizeit der Kunst opfern. Aber bitte nicht mehr als 10.000 Schilling im Jahr damit verdienen wollen. Wenn einen aber der Ehrgeiz übermannt, sollte man unbedingt an die 300.000-Schilling-Grenze denken, jenseits dessen jeder Gedankenfurz mit 20% Mehrwertsteuer belegt wird.

Künstlerinnen und Künstler, flieht Österreich! Und vergeßt nicht, Eure Selbstachtung mitzunehmen - das wichtigste Gepäckstück. Freue mich aufs Wiedersehen. In Irland oder sonstwo. Wir sehen uns. Ich liebe Euch. Ciao.

Hans Fraeulin ist Diplom-Volkswirt
und Magister artium

Feedback: hans.fraeulin@styria.com

 

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