Janko Messner

Grüß Gott und Mahlzeit

Du solltest nicht eitel
nennen den Namen Gottes

Alles ist eine Frage der Sprache. Ich bin mir bewußt, daß ich damit gegen den gewaltigen Strom der erzkonservativen, Frömmigkeit vortäuschenden Österreicher schwimme.
Was sagst du da, Gott sei kein Thema für eine künstlerische Darstellung, es sei denn, mensch lobpreist ihn mit überschwenglichen Psalmen. Erlaube, bitte, deine Sichtweise ist leicht widerlegbar: Du behauptest, Gottes Wesen sei seine absolute Allmacht aufgrund seiner Allwissenheit.
Das gleiche hab ich als bäuerliches Kind von meiner Taufpatin gelernt: Bog vse vidi, Bog vse ve, greh se delati ne sme (Gott weiß alles, Gott sieht alles, hüte dich des Sündenfalles ...). Und hat mich und meinen Bruder bespitzelt und unserer Mutter verpetzt, daß wir des Nachbars Speckbirnen vom Baum geholt, Oh dieses miserable Weib, diese unbarmherzige Vollstreckerin der Befehle ihres Allmächtigen! In Schimpf und Schande mußten wir die Birnen durchs ganze Dörfchen dem Eigentümer ins Haus tragen!
Und wie gräßlich traf mich Seine Allmacht erst in einer Religionsstunde der Volksschule: Wir saßen zu viert in einer Bank. Einer von uns ließ in die feierliche Klassenstille einen Furz fahren, einen eher leisen, aber doch deutlichpfeifenden. Selbstverständlich kicherten wir alle vier. Der Katechets Hochwürden zischte wie ein geölter Blitz zu unserer Bank, rot im Gesicht vor heiligem Zorn, mit seiner berüchtigten treffsicheren Weidenrute in der gerechten rechten Hand. Wortlos standen wir auf und streckten die Hände aus, um die verdiente Strafe Gottes entgegenzunehmen. Ich schloß die Augen und biß mir in die Lippen. Ein kurzes scharfes Sausen durch die Luft, und die kleinfingerdicke dunkelblaue Wurst brannte entsetzlich auf meiner Handfläche.
In diesem Augenblick wurde mir Gottes Allmacht in aller Deutlichkeit bewußt. Ein für allemal.
Wann immer ich im späteren Leben von Gottes unendlicher Weisheit und Liebe) von seiner Allwissenheit und Allmacht heimgesucht wurde, trat er mir in der Gestalt dieses katechetischen Hochwürden vor die Augen meiner Erinnerung. Er hat mir das kindliche Vertrauen in Gott und gleichzeitig in meinen Schutzengel tüchtig ausgetrieben. So daß ich im Jänner 45, von SS-Kugeln durchsiebt, in Blut liegend, ihn gar nicht erst um Hilfe bat, sondern mit ihm haderte darüber, daß ihm meine arme, auf ihn vertrauende Mutter, wurscht war, sollte sie den schwarzen Brief von Hitlers Schergen auch übermeinen ”Helden”-Tod fürs ”Vaterland” erhalten.
Siehst du! Entsetzlich nennst du also diese Geschichte auf Konto des Allmächtigen? Und die Folgen dieses Hochwürden-Unfalls? Nennst du nicht auch die ent-setz-lich? Mich hat der Anblick dieses göttlichen Exekutors in Grauen versetzt, und ich habe aus diesem Grauen den einzig möglichen logischen Schluß gezogen, daß dem Allmächtigen - immer und überall kultisch verehrten höchsten Wesen im Christentum - höchstens die allmächtige Roheit und Grausamkeit bestätigt werden kann.
Na, na! Den Glauben an Gott laß hier ruhig aus dem Spiel! Mag der auch Berge versetzen und weltweit gepriesene Wunder bewirken! Gut, darin hast du ausnahmsweise recht: Wollte ich jemals in Frieden leben und auch nach dem Tode meiner Asche ewigen Frieden gönnen, dann sollte ich wohl meine frommen und frömmelnden Mitmenschen um ihretwillen und meinetwillen in Frieden lassen mit solchen Denkanstößen. Dann sollte ich den heuchelnden fliegenden Papst endlich in Rom und Gott im Himmel in Ruhe lassen, wie auch er die Erde in Ruhe läßt, sollen sich dort unten seine höchstpersönlich gebastelten Irdischen in Hunger und Sünde, in Dreck und Blut wälzen, wie sie wollen! Wie schnell würden meine Denkanstöße möglicherweise zu Steinen des Anstoßes, indem meine gläubige Leserschaft dahinter nicht nur Anstößigkeiten, sondern auch Verletzungen des Anstandes und ihrer religiösen Gefühle wahrnehmen könnte.
Schließlich hat sich ja selbst der Dichterfürst Goethe nach reichlichen Studien und Lebenserfahrungen den Gläubigen gegenüber in Konzilianz geübt. Sein Ratschlag war ja: Wer Kunst hat oder Philosophie braucht keine Religion, wer aber diese nicht hat, der habe Religion ...
Gut so, eppure si muove: Mögen sie noch so wichtig und richtig sein - all diese Bedenklichkeiten -, ich muß zwischen Himmel und Erde eben gegen den Stachel locken, gegen den bereits geschilderten entsetzlichen Hochwürden-Unfall, der sich mir als unaufschiebbarer literarischer Vorwurf aufdrängt, vor allem in schlaflosen Nächten, vergleichbar nur noch mit einem scheußlichen Albtraum. [...]

[Textauszug! Der Volltext ist hier als RTF-Datei downloadbar.]

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