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Liebe Pülcherwehr, lieber Präsident,
ich komme zur Sache und dafür zitiere ich einen Spruch aus meiner Militärzeit: Der größte Schuft im ganzen Land - ist und bleibt der Denunziant. Das soll sich die Bürgerwehr hinter die Ohren schreiben - von einem geborenen Freiheitlichen wie mich, also in protestantisch-bürgerlichen Verhältnissen und in einem katholischen, noch dazu universitären Umfeld aufgewachsen. Da wird man selbstbewusster Alemanne mit Fechtkenntnissen und mit einem seltsamen Liedgut im Schädel - zudem der dringende Wunsch des Vaters, in eine Burschenschaft zu gehen. Mit diesen Stiefelwichsern, die ihre Mutproben absolvieren, wenn es für ihr Hirn längst zu spät ist, gehe ich nicht einmal privat einen saufen, habe ich ihn wissen lassen und lasse mich lieber als frankophiler Käselutscher beschimpfen. Um den Ausdruck zu erfinden, waren die Burschenschaftler auch zu dumm. Alles muss man selber machen. Meine Fechtkenntnisse kommen aus dem Sportverein und kommen jetzt Capitaine Fracasse oder Hamlet und Laertes zugute.

Die Lieder klangen aus meinem Mund glaubwürdig, so dass ich meinen Lebensunterhalt damit verdienen konnte. Da waren nämlich auch solche wie das vom König von Preußen, bei dem man es satt hatte als Soldat zu dienen, die Mahagonnygesänge des bayrischen Kommunisten Brecht, das Bürger- oder das Bundeslied dabei, aus dem die Gewerkschaft auch nach 150 Jahren noch gerne zitiert, wenn keiner zuhört: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will. Mit Frankreich habe ich mich höchstpersönlich versöhnt und seit 34 Jahren eine Zweitfamilie in Toulouse. Ich habe gelernt, für Krieg und Völkermord Verantwortung zu übernehmen, ohne mich schuldig fühlen. Die meisten Deutschen meiner Generation, die erst nach dem Krieg geboren sind, haben diese Lektion gelernt. Und dann kommt drapiert von Burschenschaftlern so ein ewig gestriger Österreicher, auch noch Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat daher und verkündet aller Welt, er fühle sich dem deutschen Volk zugehörig, und schwadroniert über Deutschlands größte Niederlage. Ich verbitte mir das als Deutscher, mich und meine Leute so zu besudeln. Wir haben uns mit Polen, Tschechien und den anderen Ländern, die wir überfallen haben, um sie zu vernichten, ausgesöhnt und Europa aufgebaut. Ausgerechnet die Trittbrettfahrer der österreichischen Regierung wollen den anderen verbieten, mit dabei zu sein. Von Demokratie und Menschenrechten keine Ahnung - siehe Bürgerwehr. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist hier über den Status von Zeitungspapier nicht hinausgekommen. Damit hat die Marktfrau die Würsteln eingewickelt. Gravierenderes ist nicht damit passiert außer einem Sager von Gusenbauer zum Sozialstaatsvolksbegehren, über die veraltete Verfassung einmal nachzudenken. Ein gescheites Wort. Ich bin anscheinend der Einzige, der es gehört hat.

Der Offizier Jung ist im falschen Nationalrat, in der falschen Armee und soll schauen, wie er mit seinen Ansichten in den deutschen Bundestag hineinkommt, nämlich überhaupt nicht. In Deutschland wird er sich erst einmal bei den Arbeitslosen hinten anstellen müssen. Einstweilen sind Nationalrat und Bundesheer aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die falschen Fünfziger aus ihren Reihen verschwinden. Die Bürgerwehr in Graz ist schleunigst in den nächsten Häfen zu schicken. Haftgrund Wiederbetätigung, angeführt von einem SS-Offizier, auch das noch. Was braucht es mehr? Wer das Gewaltmonopol des Staates unterhöhlt, verstößt gegen den einfachsten Grundsatz des Rechtsstaats, und wer das unbefugt täglich machen will, gehört sofort aus dem Verkehr gezogen, vulgo verhaftet. Wer als Bundesheer-Offizier nicht zwischen innen und außen unterscheiden kann, gehört unverzüglich in Arrest genommen und ärztlich untersucht.

Da werden sie jammern: Wir denunzieren ja nur. Leider ist Denunziation kein Haftgrund. Aber eigentlich müssten die Vorwürfe für eine Verhaftung reichen. Es werden schließlich mit Vorsatz massiv die Persönlichkeitsrechte verletzt. Jetzt will man auch noch Sandler und Radfahrer behelligen. Mein Rat: sofort anzeigen, wo immer man einen Bürgerwehrler trifft. Grund: Landesverrat und Angriff auf die Republik. Wenn nur die Stingls nicht so zaghaft wären. Der Polizeidirektor Stingl pflichtet dem Treiben sogar bei. Wie wird man hier Polizeidirektor, frage ich mich da. Fehlen nur noch Bananenplantagen, und diese Republik ist das, was sie anderen vorwirft. Liebe Grüße, diesmal ohne augenzwinkerndes Turnerschaft-Getöse,
Euer wackerer Allemanne,
Hans Fraeulin

PS: Allemannen sind alle Mannen, schließen keine Mannen aus. Germannen laufen immer mit dem Speer herum. Waren auch Frauen und Kinder damit gemeint?

PPS: Pülcher, laut Österreichischem Wörterbuch: Strolch, Gewalttäter - ein sozusagen amtliches Vorurteil. Das Wort kommt von Pilger. Die ortsansässige Bevölkerung hatte wohl schon immer Probleme mit Reisenden. Wehret den Pülchern! - Die Pülcherwehr.

[siehe auch brief #1] [fraeulin]

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