Diskussionsbeiträge

UnArt Kunst- und Kulturpolitik
Von Christine Werner

Es ist hinlänglich bekannt, dass "Ausgliederung" diverser Staatsaufgaben an private Gesellschaften keineswegs in die "BürgerInnenfreiheit" führt. Durch die voranschreitende Umsetzung dieses Regierungsprogramms aber kann das erschreckende Ausmaß an Einschränkung und Strukturvernichtung auch praktisch nachvollzogen werden. Am Beispiel "Graz 2003", das die steirische Metropole als "Kulturhauptstadt Europas" ausstellt, lässt sich gut darstellen, wie die offizielle Politik Ausdünnung von Kulturvermögen zum Programm erhebt. Betroffene bezeichnen das Grazer Projekt als Pilotversuch im größeren Stil. Als wirtschaftliche, rechtliche und damit indirekt inhaltliche Kontrolle der Kunst. Laut Europäischer Kommission besteht der Hauptzweck des Kulturstadtprojekts darin, künstlerische und kulturelle Aktivitäten so breit wie möglich zu fördern. Anstatt dieses Grazer Großereignis also offen zu realisieren, wird eine Company zwischen Kulturpolitik und Kunstschaffende gestellt – ausgestattet mit alleinigem Vermarktungsanspruch. Die Firma bindet und verbraucht nicht nur enorme Fördergelder, sondern sie besetzt künstlerische Lebensräume - wie die Vertragsentwürfe vermuten lassen, weit über das Jahr 2003 hinaus. Unter dem Schutz der "neuen" Kulturpolitik braucht sich eine solche Generalagentur vor dreisten Durchgriffen nicht zu scheuen. Mit finanziell bestens ausgestatteter Bewegungsfreiheit lässt die Company Unliebsames gnadenlos von Anwälten "planieren". Ins Bild passen daher die "Knebelverträge" für ProjektveranstalterInnen, reichend vom Kritikverbot bis hin zur pauschalen Abgeltung der Werkrechte. Der Bogen wird so weit überspannt, dass von einem Urheberrecht im klassischen Sinn wenig übrig bleibt. KünstlerInnen werden durch den vertraglichen Verzicht ihrer Rechte für alle Zukunft werkentmündigt. Verschiedenste Befürchtungen werden laut, vor allem betreffend eines Werkausverkaufs nach dem Jahr 2003. Sollte eines Tages zum Beispiel die Styria Medien AG (Kleine Zeitung) bzw. eine ihrer ausgelagerten Firmen die Gesellschaft mehrheitlich erwerben und in Folge größter oder gar einziger Besitzer der Veranstaltungsorganisation werden, hätten die UrheberInnen ebenso wenig Einspruchsrecht wie sie verhindern können, dass 100% der Erträge allein der Gesellschaft zufließen.

Wie verträgt sich Kunst- und Kultur mit neoliberalen Methoden, mit Kommerzialisierung, oder wer stellt die Frage, wohin "Auslagerung" von Kunst führt. Ein Kunstwerk kann gelagert werden. Wer aber käme auf die Idee, den Kunstwert in ein Lager zu sperren! Entstehen also von Staats wegen errichtete Kunstlager, die Kunstschaffenden verunmöglichen, diese oder andere Lagerbedingungen künstlerisch auszudrücken. Und wer sollte sich gegen Verunkunstung auflehnen, da weder wirtschaftliche noch soziale Interessen berührt werden. Heimische KünstlerInnen, zu Lebzeiten größtenteils unbeachtet, kennen die Bettelrolle nur zu gut. Erst recht wird in Österreich bei öffentlichen Diskussionen kein Wert auf künstlerische Präsenz gelegt. Geschlossenes und selbstsicheres Auftreten von Kunstschaffenden ist unerprobt und von oben unerwünscht. Nun erreicht dieses Ausmaß an Verarmung einen weiteren Höhepunkt, indem künstlerische Tätigkeit qualitativ auf den rechtlichen Status von Auftragsarbeiten reduziert wird.

Kultur-"Unternehmer" bedrohen Existenzen
Kreativität ist kein förderbares Gut mehr, es wird dem freien Schaffen statt dessen der Boden entzogen. Von diesem Hochglanz-Spektakel "Graz2003" ist die Mehrzahl der regional ansässigen Kunstschaffenden ausgeschlossen – für sie bleibt sowohl wirkungstechnisch als auch finanziell kein Raum zur Beteiligung. Die Kulturhauptstadt Graz ist somit von vornherein zur künstlichen Erfindung beinharter Geschäftemacher verkommen.
Autor Martin Krusche und IT-Experte Jürgen Kapeller erleben einen besonders geschmacklosen Auftritt der neuen politischen Wirklichkeit. Ihre unter "graz2003" seit 1998 registrierten Internet-Seiten werden von der Company (im Jahr 2000 gegründet) mit einer einstweiligen Verfügung belegt. Die steirische Kulturpolitik schweigt: http://www.kultur.at/kunst/2003/
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Christine Werner

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