Statements

15. Oktober 2001

Salzburger Buchwoche 2001: Literaturhaus kritisiert Eröffnung

Traut man sich in Salzburg nicht, dem bekannten Verleger Jochen Jung zu widersprechen und gegen einen allseits hofierten Bertl Göttl zu stimmen?
Die diesjährige Salzburger Buchwoche wird am 8. November um 19.30 Uhr durch Bertl Göttl eröffnet, Titel der Veranstaltung: Volkskultur ist anders - "Der Salzburger Jahreskreis" (mit musikalischer Umrahmung).

Der in Salzburger Medien omnipräsente, populäre bis populistische Bertl Göttl - Mitarbeiter des ORF, bei den Salzburger Nachrichten und bei Salzburg TV, Moderator zahlloser Heimatabende - hat im Salzburger Verlag JUNG UND JUNG das Buch "Der Salzburger Jahreskreis. Lostage, Kräuter und Heilige" veröffentlicht. Mag das Engagement des Verlegers für seinen Autor - aus welchen (wohl wegen der Aufmerksamkeit der Medien verkaufsfördernden) Gründen immer - noch nachvollziehbar sein, zeigt die Entscheidung auch die Schwäche des Wirtschaftsgremiums, in dem keine inhaltlichen Diskussionen stattfinden, sondern Verlags-wünsche verwirklicht werden. Bei der entscheidenden Sitzung in der Salzburger Handels-kammer hat sich Verleger Jochen Jung durchgesetzt - obwohl es mit Michael Köhlmeier (zudem Autor des Piper Verlags, dem die Salzburger Buchwoche eine Sonderschau widmet) eine bessere und ebenfalls publikumsträchtige Alternative gegeben hat.
Tomas Friedmann, Leiter des Salzburger Literaturhauses (und seit Jahren beratend zu den Sitzungen der Salzburger Buchwoche eingeladen), kritisiert diese Entscheidung und lehnt sie als falsches Signal zur falschen Zeit am falschen Ort ab. Mit Göttl und Volksmusik könne kein junges, neues Publikum zum Lesen verführt werden, im Gegenteil werde dieses auch von den anderen, interessanten Veranstaltungen (u.a. mit Julian Schutting, Drago Jancar, Ilse Aichinger, Gerhard Amanshauer, Christoph Janacs, Bodo Hell) abgeschreckt. Friedmann erinnert an den vor 10 Jahren verstorbenen Philosophen und Schriftsteller Vilem Flusser, der einst die Salzburger Buchwoche eröffnet und dieser für das Buch wichtigen Veranstaltung einen würdigen und vielbeachteten Auftakt gegeben hatte.

Das Literaturhaus Salzburg, das diese Woche sein 10jähriges Bestehen feiert (u.a. mit Robert Menasse, Marlene Streeruwitz, Wolfgang Bauer, der Wiener Tschuschnkapelle) lädt das offizielle Salzburg und alle Interessierten gemeinsam mit dem Salzburger Filmkulturzentrum DAS KINO am 8. November um 19.40 Uhr zur Österreich-Premiere des Spielfilms "Windspiel" (Iran/Österreich 2001, 75 Minuten) in DAS KINO ein. In dem ersten Kinofilm des persisch-österreichischen Filmemachers Alireza Ghanie spielt der im Dezember 2000 verstorbene Dichter H.C. Artmann eine Hauptrolle. Restkarten (gratis für Mitglieder des Vereins Literaturhaus und des Filmkulturzentrums DAS KINO) sind ab 22. Oktober unter der Telefonnummer 0662-422410 zu reservieren.

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