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Oktober 2001 Salzburger Buchwoche 2001:
Literaturhaus kritisiert Eröffnung
Traut man sich in Salzburg nicht, dem bekannten Verleger
Jochen Jung zu widersprechen und gegen einen allseits hofierten Bertl Göttl zu stimmen?
Die diesjährige Salzburger Buchwoche wird am 8. November um 19.30 Uhr durch Bertl Göttl
eröffnet, Titel der Veranstaltung: Volkskultur ist anders - "Der Salzburger
Jahreskreis" (mit musikalischer Umrahmung).
Der in Salzburger Medien omnipräsente, populäre bis
populistische Bertl Göttl - Mitarbeiter des ORF, bei den Salzburger Nachrichten und bei
Salzburg TV, Moderator zahlloser Heimatabende - hat im Salzburger Verlag JUNG UND JUNG das
Buch "Der Salzburger Jahreskreis. Lostage, Kräuter und Heilige"
veröffentlicht. Mag das Engagement des Verlegers für seinen Autor - aus welchen (wohl
wegen der Aufmerksamkeit der Medien verkaufsfördernden) Gründen immer - noch
nachvollziehbar sein, zeigt die Entscheidung auch die Schwäche des Wirtschaftsgremiums,
in dem keine inhaltlichen Diskussionen stattfinden, sondern Verlags-wünsche verwirklicht
werden. Bei der entscheidenden Sitzung in der Salzburger Handels-kammer hat sich Verleger
Jochen Jung durchgesetzt - obwohl es mit Michael Köhlmeier (zudem Autor des Piper
Verlags, dem die Salzburger Buchwoche eine Sonderschau widmet) eine bessere und ebenfalls
publikumsträchtige Alternative gegeben hat.
Tomas Friedmann, Leiter des Salzburger Literaturhauses (und seit Jahren beratend zu den
Sitzungen der Salzburger Buchwoche eingeladen), kritisiert diese Entscheidung und lehnt
sie als falsches Signal zur falschen Zeit am falschen Ort ab. Mit Göttl und Volksmusik
könne kein junges, neues Publikum zum Lesen verführt werden, im Gegenteil werde dieses
auch von den anderen, interessanten Veranstaltungen (u.a. mit Julian Schutting, Drago
Jancar, Ilse Aichinger, Gerhard Amanshauer, Christoph Janacs, Bodo Hell) abgeschreckt.
Friedmann erinnert an den vor 10 Jahren verstorbenen Philosophen und Schriftsteller Vilem
Flusser, der einst die Salzburger Buchwoche eröffnet und dieser für das Buch wichtigen
Veranstaltung einen würdigen und vielbeachteten Auftakt gegeben hatte.
Das Literaturhaus Salzburg, das diese Woche sein
10jähriges Bestehen feiert (u.a. mit Robert Menasse, Marlene Streeruwitz, Wolfgang Bauer,
der Wiener Tschuschnkapelle) lädt das offizielle Salzburg und alle Interessierten
gemeinsam mit dem Salzburger Filmkulturzentrum DAS KINO am 8. November um 19.40 Uhr zur
Österreich-Premiere des Spielfilms "Windspiel" (Iran/Österreich 2001, 75
Minuten) in DAS KINO ein. In dem ersten Kinofilm des persisch-österreichischen
Filmemachers Alireza Ghanie spielt der im Dezember 2000 verstorbene Dichter H.C. Artmann
eine Hauptrolle. Restkarten (gratis für Mitglieder des Vereins Literaturhaus und des
Filmkulturzentrums DAS KINO) sind ab 22. Oktober unter der Telefonnummer 0662-422410 zu
reservieren. |