Von:
"Gerhard Ruiss" gr@literaturhaus.at
Betreff: Domainstreit
Datum: Mittwoch, 24. Oktober 2001 11:38Offener
Brief an
den Kultur-Landesrat der Steiermärkischen Landesregierung
Dr. Gerhard Hirschmann, Fax: 0316/877-2304
und an den Stadtrat für Kultur der Stadt Graz
Mag. Siegfried Nagl, Fax: 0316/872-2089
Betrifft: Domain-Streit Graz 2003 ? Graz als europäische
Kultur(haupt)stadt
Sehr geehrter Dr. Gerhard Hirschmann!
Sehr geehrter Herr Mag. Siegfried Nagl! Wien, 24.10.2001
Mit deutlich gemischteren Gefühlen als noch vor einigen
Monaten sieht die IG Autorinnen Autoren der Umsetzung der Präsentation von Graz als
europäischer Kultur(haupt)stadt des Jahres 2003 entgegen. Sondersituationen machen zwar
immer Sonderanstrengungen notwendig, üblicherweise aber nicht mit dem Ziel, die
vorhandenen Infrastrukturen zu schwächen und sie durch die Errichtung bisher nicht
vorhandener und temporär wirksamer Infrastrukturen zu ersetzen. Genau das scheint aber
bei der Planung und Entwicklung der Projekte für Graz 2003 der Fall zu sein, und genau
dieser Umstand scheint sich im sogenannten "Domain-Streit" um die Bezeichnung
"Graz 2003" auszudrücken.
Die wichtigste Frage, die sich in einem solchen
Zusammenhang stellt, ist aus unserer Sicht daher, in welcher Weise die ständigen
Kultureinrichtungen der Stadt Graz bzw. des Landes Steiermark in die Projekte für
"Graz 2003" eingebunden sind. Diese Frage sollte auch für die
Kulturverwaltungen der Steiermark und ihrer Landeshauptstadt im Vordergrund stehen, da ja
Graz nach 2003 nicht zu existieren aufhören wird, sondern nach 2003 so oder so auf das
kontinulierlich Bestehende zurückkommen wird müssen, das Graz eben entweder attraktiv
macht oder nicht.
Das bisherige Erscheinungsbild von Graz, das Graz so
attraktiv gemacht hat, daß Graz zu einer europäischen Kultur(haupt)stadt werden konnte,
ist jedenfalls nicht auf internationale Prädikatisierungen zurückzuführen, sondern
beruht auf der kulturellen Arbeit, die innerhalb der Steiermark und der Stadt Graz
geleistet wurde, von risikofreudigen Kunst- und Kulturinitiativen und von umsichtigen
Kulturpolitikern, die bereit waren auf neue, eigenständige Entwicklungen zu setzen und
von denen die Steiermark und Graz bis heute profitieren.
In der geschäftsmäßigen Abwicklung der Planung von
"Graz 2003" scheint nichts von dem der Fall zu sein. Ein bißchen
Oberflächen-Politur und das war’s dann schon?
Wir können uns nicht vorstellen, daß ausgerechnet in
einem Bundesland, das einmal für seinen Avantgardegeist im ganzen europäischen Raum
bekannt war, plötzlich kein anderes Interesse mehr als eines an einem kulturellen
Animationsprogramm bestehen soll.
Besonders unappetitlich finden wir übrigens in diesem
Zusammenhang die an üble Nachrede grenzenden Äußerungen aus dem Kreis der
Planungsgesellschaft gegen den ohnehin niederprozessierten Domain-Konkurrenten, Martin
Krusche, unter dessen "Graz 2003"-Adresse "seltsame Terror-Witze gerissen
worden" sein sollen. Also ab ins Terror-Eck mit der unliebsamen einheimischen
Kulturkonkurrenz?
Es ist der IG Autorinnen Autoren nicht bekannt, wie weit
sich der eben erwirkte "Markenschutz" von "Graz 2003" bei Auftritten
im Internet erstreckt, wir können uns bei einer tatsächlichen Ausgrenzung der in der
Steiermark und in Graz vorhandenen Kunst- und Kulturinitiativen aber sehr gut vorstellen,
uns an einem Internetauftritt unter "Graz 2003a" oder "Graz 2004" zu
beteiligen.
Wir hoffen, wir sind nur das Opfer der medialen
Wahrnehmung und es verhält sich in Wirklichkeit alles ganz anders.
Hochachtungsvoll und
mit freundlichen Grüßen
Gerhard Ruiss |