Statements

Von: "Gerhard Ruiss" gr@literaturhaus.at
Betreff: Literarischer Musikantenstadl in Salzburg
Datum: Montag, 05. November 2001 12:12

Literarischer Musikantenstadl zur Eröffnung der Salzburger Buchwoche statt hochkarätiger Literatur oder der längst überfälligen Rückschau auf das Werk und Wirken H. C. Artmanns

Die IG Autorinnen Autoren ist entsetzt darüber, daß sich die für den hohen literarischen Qualitätsanspruch ihrer Programme bekannte Salzburger Buchwoche entschlossen hat, die heurige Salzburger Buchwoche mit einem literarischen Musikantenstadl zu eröffnen. Damit erteilt die Salzburger Buchwoche dem literarischen Anspruch eine klare Absage und reiht sich unter diejenigen Einrichtungen ein, welche die zur Behauptung von Qualitätsansprüchen schwieriger gewordenen Zeiten zu einer kulturellen Rückwärtswende in das volkstümelnde Kulturverständnis der 50er und 60er Jahre nützen.

Damit die allerorts ohnehin omnipräsente Volkskultur nicht auch noch die Führungsrolle im Verständnis von Literatur übernimmt, hat das Salzburger Literaturhaus zum Termin der Eröffnung der heurigen Salzburger Buchwoche zu einer Filmpremiere eines Films, in dem der erst vor elf Monaten verstorbene und mit Salzburg und Salzburger Verlagen eng verbundene Dichter H. C. Artmann eine Hauptrolle spielt. Man hätte sich gerade in diesem Jahr eine großangelegte Würdigung und Präsenz der herausragenden Dichterpersönlichkeit, des Werks und der von H. C. Artmann in Salzburger Verlagen lieferbaren Titel als Auftakt der Salzburger Buchwoche eher erwarten können als das populistische Schielen nach Publikumsschichten, die sich im kulturellen Wert ihrer Interessen bestätigt fühlen können, aber darüber hinaus an keinem einzigen literarischen Buchtitel Interesse zeigen werden.

Wir sind über diesen eklatanten Mißgriff umso mehr entsetzt, als sich - offenbar sogar gegen die eigenen Interessen gerichtet - auch die Salzburger Verlagsvertreter zu dieser Eröffnungswahl entschieden haben und wir werden in Zukunft selbstverständlich nicht mehr verwundert darüber sein, warum die Veröffentlichungen eines der bedeutendsten Dichter unserer Zeit als schwer verkäufliche Titel gelten.

Wir können gar nicht anders, als das Zusammenkommen dieser Umstände als eine Provokation zu begreifen, die nicht nur H. C. Artmann, sondern die gesamte österreichische Literatur betrifft. Wenn das Werk eines so überragenden Dichters wie H. C. Artmann schon kurze Zeit nach seinem Tod weniger wert ist als ein ohnehin jederzeit und überall präsentierbarer Volkskulturband und das noch dazu in dem Bundesland, in dem er - neben Wien -beheimatet war, in dessen Verlagen er verlegt hat und in dessen Verlagen seine Bücher erhältlich sind, so wird damit die Literatur insgesamt ausrangiert.

Wir fordern daher die im Buchhandel dafür zuständigen Gremien, die im Land und in der Stadt Salzburg zuständigen Kulturverantwortlichen und alle im Kulturleben Salzburgs maßgeblichen Einrichtungen mit allem Nachdruck dazu auf, diesem für die Literatur und Leseförderung falschen Signal ein für die Literatur und Leseförderung richtiges Signal entgegenzusetzen, das einer weltweit bekannten Kulturstadt würdig ist. Wir fordern alle am Kulturleben Salzburgs Beteiligten dazu auf: setzen Sie dieses Zeichen, daß Sie mit H. C. Artmann einen Dichter im Land haben durften, der sich in ganz Europa einer ungebrochenen höchsten Wertschätzung erfreut. Nehmen Sie die kurzsichtige Eröffnungswahl der heurigen Salzburger Buchwoche zum Anlaß, um mit allem Nachdruck die Bedeutung der Person und des Werks von H. C. Artmann und der heute in Salzburg und Österreich lebenden österreichischen Autorinnen und Autoren herauszustreichen.

Die Volkskultur kann ruhig einem rustikaleren Kulturverständnis und rustikaleren Umgebungen überlassen bleiben.

Gerhard Ruiss
IG Autorinnen Autoren
Wien, 5.11.2001

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