Jürgen Kapeller

sg. Herr Gaulhofer,

nachdem Sie ja auch von mir diese Exaktheit gewohnt sind, muss ich leider insistieren:

1. Ihre Behauptung " ...sich die Domains gesichert hat, dies unter einem Gesichtspunkt getan hat, der von den damit befassten Gerichten zweifellos und eindeutig als Domain-Grabbing erkannt ..." ist unrichtig, da ein derartiges Urteil nur für die Domain graz2003.at existiert, nicht aber für graz2003.com und graz2003.org und Ihre diesbezügliche Folgeklage keinerlei Vorwurf des Domain-Grabbings enthält.

2. Ihre Behauptung "...könnten wir alle in der Ruhe nebeneinander und miteinander arbeiten..." führt sich durch Ihre Klage wohl selbst ad absurdum 3. Nachdem Sie eigener Aussage zufolge sich lieber nicht in Argumente vertiefen wollen und auch sonst nur inhaltslos von "...Schaden von der Graz 2003 Kulturhauptstadt Europas Organisations GmbH abwenden..." sprechen, erlaube ich mir schon festzuhalten, dass meine Argumente sachlich unwidersprochen geblieben sind und Sie weder diesen "Schaden" klar definieren können, noch eine stichhaltige Begründung für destruktives Agieren liefern.

Ich bekomme derzeit so an die 80 Unterstützungsmails täglich (wielviel bekommen Sie?) und das unterstreicht schon das Faktum, dass die derzeitige Prioritätensetzung Ihres Unternehmens eindeutig zu gunsten formaler Kriterien auf Kosten inhaltlicher Vielfalt liegt.

Sie kennen mich als einen direkten Menschen und als der sage ich Ihnen offen, dass Ihre Glaubwürdigkeit schon sehr darunter leidet, wenn Sie schreiben "...sondern widerspräche diametral unserer Auffassung von einem offenen Diskurs über das, was wir vorbereiten..." und dann im Standard-Interview von "...aber nicht unter dem Kürzel graz2003..." sprechen. Sollen wir vielleicht eine verdeckte Adresse nehmen, damit keiner merkt, worüber wir diskutieren? Wo bleibt da Ihre Logik? Heißt offen für Sie, wir sollen doch bitte dort drüben diskutieren, weil dort stören wir niemanden? Das klingt alles wie "Laßt Kreisky und sein Team arbeiten".

Sie wollen "...in Ruhe nebeneinander und miteinander arbeiten..."? Na dann lassen Sie uns doch einfach in Ruhe. Wir haben nicht geklagt, sondern Sie. Verdrehen Sie also bitte nicht die Tatsachen. Und seien Sie doch bitte auch mal so ehrlich und sagen frei heraus, was Ihnen denn wirklich so weh tut, dass wir gerade hier aktiv werden? Was halten Sie denn da nicht aus? Verstecken sich hinter den formalen (aber kulturell inhaltslosen) Argumenten denn in Wahrheit nicht starke unreflektierte Emotionen?

Wenn ich mir die laufend eintreffenden Reaktionen so ansehe, dann schaden Sie mit Ihrer Klage dem ohnehin schon angeknacksten Ruf Ihrer Gesellschaft mehr, als sie Ihm nutzen. In diesem Sinne danke ich auch für die Publicity - 600 Besucher hatten wir gestern dadurch (20x soviel wie vorher) und sehr hohe Sympathiewerte...

Und noch eine Portion Unglaubwürdigkeit: In einer Postwurfsendung Ihrer Gesellschaft, stand ganz deutlich auf Seite 1 zu lesen: KULTURHAUPTSTADT FÜR ALLE - 2003 GEHÖRT GRAZ DEN GRAZERINNEN UND GRAZERN!

Übersteigt das Ihre Kräfte, wenn man Sie beim Wort nimmt oder ist das wieder einmal eine beliebte Worthülsenspende?

"Gilt schon, aber nicht unter graz2003.xx und nur so, wie wir das gut kontrollieren können..." werden Sie sagen. Na was jetzt? gehört es uns nun oder nicht? Wenn ich eine derartig dicke Lippe riskiere, dann stehe ich auch dazu und da darf ich auch nicht mehr lange fragen, ob mir das alles so recht ist, was andere daraus machen. Loslassen ist loslassen. A bisserl schwanger geht eben nicht. Und offen heißt nun mal offen und nicht offen, wo es mir gerade passt. Demokratie ist 0 oder 1 und keine fuzzy-logic, wo ich es mir richte, wo gerade die 1 liegt.

Und wenn Sie Mumm in den Knochen hätten und nicht ständig verstecken müssten, was denn diese Gesellschaft unter Ausschluss der Öffentlichkeit wirklich so tut, dann würden Sie uns sogar tatkräftig unterstützen, denn wir sind die Einzigen, ich betone, das einzige Projekt, das transparent und für 2003 seinem Plan sogar voraus ist (wahrscheinlich, weil wir nicht "koordiniert" werden).

Kultur ist kein Monopol, sondern ein weites Feld, ein offenes Feld und Sie wollen daraus einen closed shop machen. Wenn Ihnen das wirklich ein Anliegen ist, na dann nur zu, Sie schreiben bestimmt Kulturgeschichte. Es tut mir leid, es Ihnen derart offen sagen zu müssen: Sie haben offensichtlich nicht begriffen, dass es dieser Sache 2003 wesentlich besser täte, konstruktive Kapazitäten anzureichern, als eine billige Seifenoper vorm Wettbewerbsgericht abzuliefern. Wenn Ihr kulturelles Vorstellungsvermögen am Programmheftchen Ihrer Gesellschaft endet, dann mögen Sie zwar für Ihren Arbeitgeber die Idealbesetzung sein, aber zu einem modernen Kulturverständnis sind Sie - wie nennen Sie das? - diametral positioniert.

mfg
Kapeller