# 047
[13•01]

[verlag]

[house] über das fremde & die peripherie


Asche. Verweht. Heimat. Herzschlag.

Von Martin Krusche

1)
Warum haben diese Juden keinen Humor? Noch dazu im Fachingsausklang. Am Aschermittwoch. Ha! Asche. Das ist doch zum Brüllen komisch! Ein gutes Waschmittel gegen den Dreck an irgendwelchen Stecken. Und gegen den Staubfilm, der sich immer noch auf unseren Alltag legt. Nach all den Jahren. Asche und Ruß.

2)
"Der Herr Ariel Muzicant: I versteh überhaupt net, wie ana, der Ariel haßt, so viel Dreck am Steckn habn kann ... des versteh i überhaupt net, aber i man ... das wird er schon morgen kommentieren, nicht ... aber ich bin da nicht sehr schreckhaft, in diesen Fragen ..."

3)
Gelächter. Gelächter.

4)
Manchmal muß ein Mann tun was er tun muß. Diese Lachnummer der Nation! Zünftig. Resch. Unverwüstlich. Gänzlich unempfindlich gegen Kontext.

5)
Unter dem Schenkelklopfen und Gelächter, das solche Alleinunterhalter auslösen, bin ich aufgewachsen. Heimat. Das hieß immer auch: Den Schrecken und die Scham weglachen. Kerl sein. Woran erinnert mich das bloß?

6)
Was für ein Lachen. Zünftig. Schenkelklopfen. Wie lieb der Herrgott sei und wie launig man mit dem Herrn Hitler plaudern konnte. Das durfte er mir via Fernsehen erzählen. Unser aller Luis Trenker. Protagonist solchen Entertainments. Freilich hat er zum Hofstaat des Führers gehört und sich auf dem Obersalzberg wohl gefühlt. Was für ein Hauptspaß, eine Biografie von Eva Braun zu fälschen und zu publizieren. So lustig ging es zu, bis ich zur Welt kam.

7)
Dreck. Asche. Weggelacht.

8)
Als die hochbegabte Leni Riefenstahl in den USA ihren Olympiafilm präsentieren wollte, hielt man ihr das große Pogrom, die Reichskristallnacht vor. Sie erfuhr harsche Ablehnung, weil man sie für das hielt, was sie war. Eine blendende Repräsentatin des NS-Regimes. Hitlers bestes Partygirl. Nach Deutschland zurückgekehrt weinte sie sich bei Goebbels über die amerikanische Abfuhr aus. Der "kleine Doktor" notierte am 5.2.1939: "Wir haben da nichts mehr zu melden. Die Juden herrschen mit Terror und Boykott. Wie lange noch?"

9)
Diese Unterstellung einer terroristischen "Judenherrschaft" war eine der Begründungen für den am höchsten organisierten und effizientesten Massenmord der Menschheitsgeschichte. Der Vorwand hat das Ereignis bis in die Gegenwart überstanden. Die Unterstellung einer terroristischen "Judenherrschaft" kann jederzeit zum Klingen gebracht werden. Unfaßbar, wie wenig es dazu hierzulande braucht.

10)
Haider wehrt sich. "Es darf nicht verboten sein, ein scherzhaftes Wortspiel zu verwenden", verteidigte sich Haider in der ZIB 2. "Ich habe es satt, dass linke Denkpolizisten vorschreiben, was richtig ist."
(Kronenzeitung, Samstag, 17. März 2001)

11)
Es ist hier vollkommen gleichgültig, was jemand behauptet, gemeint zu haben. An die eben skizzierten historischen Hintergründe kann ein Staatsmann nicht einmal versehentlich anstreifen, ohne sich zu diskreditieren. Jedes ungewollte Mißverständnis in solchem Zusammenhang wäre schon ein Affront. Als Lachnummer zum Faschingsausklang bleiben solche "Scherze" Obszönität. Die Verhöhnung der Nachkommen jener, deren Asche noch an unser aller Schuhe zu finden ist.

12)
Das ist meine Heimat, wo sich Opinion Leaders selbst solche Toleranzen gewähren. Der Widerspruch, den ich dazu höre, ist mir zu leise. Die Botschaft fällt deutlich aus: Zurück ins 19. Jahrhundert! In dem jene Menschenverachtung ausgebrütet wurde, der sich Rassismus und nationaler Eifer in ihrem heutigen Gewand verdanken.

13)
Goebbels: "Das Wesen der Propaganda ist – ich möchte fast sagen: eine Kunst. Und der Propagandist ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Künstler der Volkspsychologie. Seine wichtigste Aufgabe besteht darin, täglich und stündlich sein Ohr an den Herzschlag des Volkes zu legen und zu lauschen, wie es schlägt, und seine Maßnahmen auf den Takt dieses Herzschlages einzurichten."


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