Das Alte, das Neue und das Flache
bfz. Die schon längst literaturnotorischen Abenteurer und
Forschungsreisenden, sie sind dem österreichischen Schriftsteller Walter Grond
Weltmetaphern eines «neuen Erzählens», das «ohne Zentrum, ohne ideologische und ohne
formale Mitte» auskommt. In der idealtypischen Sozialisation des medienkompetenten
Erzählers als Textnavigator kreuzen sich Orient und Okzident. Kein Hohepriester der
Kunstavantgarde will der neue Vagabund in Wirklichkeiten mehr sein, sondern einer, der
soziale Verbindlichkeit mit dem Bewusstsein eines polymorphen medialen Universums
verbindet. Die Bezugspunkte reichen dabei von Salman Rushdie bis zum schamlosen
Trash-Piloten Benjamin von Stuckrad-Barre. Das klingt gut, würde Gronds Erkenntnis des
Neuen nicht im Flachen stecken bleiben. Der «Remix» ist das Label, unter dem solche
Konzepte meist segeln: Lebensentwürfe, Texte, Kulturen - alles soll offen und
durchlässig werden. Den Repräsentanten des «Anderen» in diesem Buch, Intellektuellen
von Kairo bis Sarajewo, scheint das allerdings etwas zu verblasen abstrakt. Das meiste
liest sich denn auch wie ein Abklatsch postmoderner und postkolonialer Theoriebildungen
und will durch die Mischung von «Essays, Gesprächen, E-Mail-Dialogen» auch gleich
selbst die Probe aufs Postulierte machen, was gründlich misslingt. Beim -
österreichischen - Gipfelstürmen kriegen naturgemäss die Heroen ihr Fett ab:
Provinziell und wenig welthaltig sei die Literatur Thomas Bernhards, der Autor ein
Pseudoradikaler im Lodenmantel, hinter dessen Sprachstrategien sich «autoritäre
Strukturen» versteckten. Bei diesem Remix der Bernhard-Kritik ist die Nadel in den Rillen
einer altbekannten Platte hängen geblieben.
Walter Grond: Vom neuen Erzählen. Gipfelstürmer und Flachlandgeher.
Haymon-Verlag, Innsbruck 2001. 180 S., Fr. 39.-.
Neue Zürcher Zeitung, 2. Februar 2002, Ressort Feuilleton