Niemand
ist Niemand
(Identitäten: Mister X trifft Doctor Strange)Netizens, die "Bewohner der Netze" sind in ihrer
"Telepräsenz" nicht nur körperlos. Auch ihre Identitäten bleiben oft unklar.
Man müßte sich in der realen Begegnung maskieren, womöglich einen Bart ankleben,
falsche Zähne einschieben oder sich in höchst ungewohnte Kleidung verpacken, um jemanden
über die eigene Identität zu täuschen.
Im Internet kann man sich mit Identiäten unbeschwert und
ohne Aufwand spielen. Oder sich sogar in mehrere Personen aufteilen. Das geschieht etwa in
online-Foren und verschiedenen "Tratsch-Buden", den Chatrooms, meistens durch
die Verwendung von "Nicks". Also Nicknames, Spitznamen.
Menschen finden es oft spannend, dabei das Geschlecht zu
wechseln, das Alter, den Beruf, die soziale Zugehörigkeit ... der Phantasie und
Verspieltheit sind dabei kaum Grenzen gesetzt.
Solche Versteckspiele werden gelegentlich auch gerne von
Menschen inszeniert, die sich in (online-) Gemeinschaften am liebsten aufführen wie
Berserker, ihre Nachbarschaft bei jeder Gelegenheit beschimpfen, vieles tun, wozu sie in
realer Begegnung niemals dir Courage hätten.
Ich habe eben erst eine ebenso amüsante wie skurrile
Variante des Versteckspieles im Web erlebt. Gleisdorf, die Stadt, in der ich lebe, ist in
Kürze Schauplatz einer Gemeinderatswahl. Also läuft der Wahlkampf. Was sich auf den
Websites der verschiedenen Fraktionen niederschlägt.
Hier geht es ja nicht mehr bloß um die Lufthoheit über
irgend einem Stammtisch. Jede Website mit einem offenen Forum oder Gästebuch ist ein
Stück (Teil-) Öffentlichkeit. Ist neuer "politischer Raum". Alle
"Netizens" können zusehen. Und mitmischen. Falls sie dazu gerade Lust haben.
Was einen großen Unterschied zu vergangenen Wahlkämpfen macht. Denn auf Aussendungen von
Druckwerken konnte man nicht annähernd direkt und weitreichend reagieren.
Weil im Wahlkampf ganz gerne kräftig ausgeteilt wird,
bleiben manche Akteure lieber anonym. Was dieser Tage auf der Website des Bürgermeisters
zur spaßigen Situation geführt hat, daß zwei Leute, die ihre Identität geheim hielten,
nun um das Pseudonym zu rittern begannen:
26.01.2005: Noch 9 Tage!
Bitte, nicht zu vergessen, wir feiern heuer 60 Jahre Schüssel, aber bereits am 04.
Februar 2005 dürfen wir uns über 5 Jahre der LAP Schüssel-Haider freuen!
Ein politischer Beobachter
26.01.2005: Der echte politische Beobachter
Ich lege Wert auf die Feststellung, dass es sich beim Eintrag von 'Ein politischer
Beobachter' nicht um den 'Ur-Beobachter', sondern um einen Namens-Nachahmer handelt.
Der 'Echte' ! [Quelle]
Ein recht aufschlußreiches Ereignis, welches zeigt, wie
sehr doch die reale Anwesenheit, das reale "Person sein" den Menschen selbst in
den Weiten der elektronischen Netze ein Anliegen bleibt. Wo also der Anonymus noch darauf
besteht, daß es eine "eindeutig zuordenbare" Identität geben soll, die man ihm
nicht streitig machen darf. Aussichtslos, aber sympathisch ...
Das konsequente Auflösen der eigenen Identität in einer
Art von "Netzexistenz" finden wir zum Beispiel in den sogenannten
"Avataren". Nach einer Definition von Neal Stephenson:
"Die Menschen [im virtuellen Raum] sind Softwareteile, die man Avatar nennt. Es
handelt sich um die audiovisuellen Körper, die Menschen benutzen, um im Metaversum
miteinander zu kommunizieren."
"Metaversum" ist eine Wortschöpfung, die ein dem
vertrauten Universum "nachgeordnetes Universum" meint. Ein wenig im Sinn von
"Info-Sphäre". Also einer "Informationswelt", mit der wir unsere
Bio-Sphäre, die biologische Umwelt, erweitert haben.
Die Passage über Avatare habe ich einer Vortrag entnommen,
den der Schweizer Netzkultur-Experte Beat Mazenauer hielt, als er beim "ncc48 -
netART community congress" mein Gast war. Wer das Thema etwas gründlicher kennen
lernen möchte, findet hier seinen Text "Vishnus Inkarnationen auf dem Desktop oder:
Eine Reise durch den virtuellen Erzählraum von Homer bis Snow Crash" [Quelle]
[martin krusche] |