Reisebericht der Tournee nach Banja Luka

19. & 20.10.2004

Das "Berndt Luef Quartett" war am 19.10.2004 zu einem Konzert im Kulturzentrum von Banja Luka eingeladen. Banja Luka ist die Heimatstadt unseres Gitarristen Dragan Tabakovic. Ein am darauffolgenden Tag angesetztes Konzert um 22.Uhr im Jazzclub von Banja Luka wurde kurzfristig abgesagt, da es seit kurzem eine neue Sperrstundenbestimmung der Polizei gibt. Die Lokale müssen um 23 Uhr schließen und Verstöße gegen dieses Gesetz werden rigoros gehandhabt. Die diversen Nachtclubs haben hohe Auflagen oder, was ich mir mehr vorstellen kann das berühmte Vitamin "B"..... Das Kulturzentrum von Banja Luka liegt im Regierungsgebäude der Republika Srpska im Zentrum der Stadt und wird nach Aussage der uns betreuenden Referentin öfters privat vermietet, und mit diesen Einnahmen wird zum großen Teil das Kulturprogramm finanziert. Das Konzert war ausnehmend gut besucht, wir haben hauptsächlich unser Programm "Felidae" gespielt und von dem ersten Stück ging das Publikum begeistert mit. Wegen der Sperrstundenbestimmung haben wir ohne Pause gespielt.

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Leider gab es Tags darauf einige Komplikationen. Torstens Auto wurde mir einer Parkkralle versehen, obwohl die Organisatoren gesagt hatten, der Parkplatz wäre okay. Es gibt aber eine Polizeiorganisation, die sehr eigenmächtig handelt und die sich nicht (aber auch schon gar nicht) um irgendwelche kulturelle Veranstaltungen kümmert. Laut der Strafverordnung mussten wir nun 30 KM (=15 Euro) auf ein Konto bei der Post einzahlen, aber selbst dabei gab es Komplikationen, da man auf dem Zahlschein die Dienstnummer des Polizisten angeben musste. So hat Dragan diesen Polizisten erst ausfindig machen müssen. Er musste in die Post kommen, hat mit uns die Einzahlung getätigt und musste dann aber wieder einen anderen anrufen, der die Schlüssel zu der Parkkralle hatte. Ohne Kenntnis der serbischen Sprache wäre man da ziemlich aufgeschmissen.

Banja Luka liegt auf 163 m in einer Talsenke im Nordosten Bosnien & Hercegowinas am Fluss Vrbas, ist mit ca. 220.000 EinwohnerInnen die größte Stadt der "Republika Srpska", der Serbischen Republik und seit 1998 Regierungs- und Verwaltungssitz dieser Entität Bosnien-Herzegowinas. Die Republika Srpska wurde am 27. März 1992 proklamiert. Mit dem Dayton-Friedensabkommen von 1995 wurde die Republika Srpska als eine von zwei Entitäten des Staates Bosnien und Herzegowina anerkannt und umfasst seither ca. 49% des Territoriums Bosnien und Herzegowinas, das sind etwa 25.053 km2. Ihr Gebiet umfasst den Nordwesten sowie den Osten Bosnien und Herzegowinas Die Republika Srpska hat ca. 1,4 Mio Einwohner. Die größte Volksgruppe sind mit rund 93% die orthodoxen Serben. Von den einst 356.000 Muslimen leben hier noch 37.000 und von den 180.000 Kroaten noch 30.000 Menschen; der Anteil der Serben war dagegen seit 1991 um 15 Prozent gestiegen.

Bei unserem Spaziergang am Mittwoch ist uns die große Arbeitslosigkeit aufgefallen, die für die Republika Srpska wird mit 38,6% beziffert wird (zum Vergleich: Föderation von Bosnien und Herzegowina 41,7%, Gesamtstaat mit 40,6%). Man könnte natürlich die florierende Schattenwirtschaft berücksichtigen, da viele Menschen sich mit diversen Geschäften behelfen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Gehandelt wird mit kleineren und größeren Handläden und mit allem, was sich irgendwie verkaufen lässt.

Die Republika Srpska hat ein Einkammerparlament, genannt Nationalversammlung mit 83 Abgeordneten und einen vom Volk direkt gewählten Präsidenten. Im Ergebnis der Wahlen vom Oktober 2002 konnten die bisherigen Regierungsparteien SDS und PDP trotz Stimmverlusten erneut zusammen mit der SDA die Regierung bilden; Premierminister ist Dragan Mikerevic· (PDP).

 

Geschichte von Banja Luka:

Der Name "Banja Luka" wird erstmals im Februar 1494 in einem Dokument des ungarischen Königs Vladislav II als "befestigte Stadt im Distrikt Jajacka (Jajce), die fast unter türkische Herrschaft geraten sei" erwähnt. Der genaue Wortsinn von "Banja Luka" ist bis heute umstritten ("der Acker des Bans" ; "Ban's Tal am Wasser", obwohl "luka" das serbische Wort für "Hafen" ist). 1582 wurde die Stadt dann doch von den Türken eingenommen und erlebte daraufhin eine echte Blütezeit, als der bosnische Pascha seinen Amtssitz von Sarajevo nach Banja Luka verlegte. Der Pascha Ferhad Sokolovic legte das Fundament zur heutigen Stadt, indem er die Moschee "Ferhadija" und die Festung des Kastels, sowie noch weitere 200 Bauwerke wie z. B. die Kanalisation, den "Uhrturm", ein öffentliches Badehaus, die Grundschule, eine Brücke über den Vrbas und unterschiedlichste Läden erbauen ließ. So hatte die Stadt im Jahr 1655 2000 türkische Häuser, 15 Moscheen und 100 orthodoxe oder katholische Häuser und war das Handwerks- und Handelszentrum dieser Region.

Dann aber wurde die Stadt in den ständigen Kriegen zwischen der Türkei und Österreich, aber auch durch die Auseinandersetzungen innerhalb der bosnischen Feudalherren immer wieder verwüstet, und Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Feuersbrünste, sowie Hunger und Pestepidemien (die vom 1732 forderte z.B. 7000 Menschenleben) führten zu einem Niedergang der Stadt und 1737 brannte die Stadt in den Kämpfen zwischen den Armeen der Habsburger und der Türken bis auf die Grundmauern nieder.

Im 19 Jhdt. führten die türkischen Machthaber Reformen durch und stabilisierten dadurch die Lage in dieser Region. Es wurde eine kroatische und eine serbische Grundschule errichtet, ein multinationales Gymnasium und ein serbisch-orthodoxes Priesterseminar eröffnet, sowie eine Telefonverbindung nach Sarajevo und eine Eisenbahnstrecke nach Dobrlijn eingerichtet. 1869 kamen Trappisten nach Banja Luka, erbauten ein Kloster und gründeten eine große Mühle , eine Bierbrauerei, eine Textilfabrik und eine Käserei zur Herstellung des bekannten Trappisten-Käses. 1878 wurde auf dem Berliner Kongress beschlossen, dass das Habsburgerreich Bosnien Herzegowina besetzen darf. Das geschah relativ friedlich, da es wenig Widerstand dagegen gab,

Unter dem Protektorat Österreich-Ungarns wurde Banja Luka wieder ein Handels und auch ein Industriezentrum und bekam durch die rege Bautätigkeit ein mehr "europäisches" Aussehen. 1879 wurde das Spital, 1888 eine Tabakfabrik eröffnet und 1891bekam Banja Luka Anschluss an die Bahnverbindung Wien - Budapest. Laut einer Volkszählung von 1895 hatte Banja Luka damals 13566 Einwohner. Obwohl die österreichischen Behörden nicht allzu repressiv agierten, kam es natürlich auch in Bosnien zu Aufständen gegen die Besatzer und zu sozial bedingten Unruhen (einer der Wortführer dieser Widerstandes war der Schriftsteller Petar Kocic). Während des ersten Weltkrieges kam es zu zahlreichen Prozessen gegen serbische Widerstandskämpfer.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde Banja Luka ein Teil des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen , war erst ein Teil der bosnischen Kraijna und ab 1929 die Hauptstadt des Vrbas ñ Distrikts. Der erste Ban dieses Distrikts, Svetislav Milosavljevic ließ zwei Regierungspaläste, die Volksbühne, eine orthodoxe Kirche und das ethnografische Museum erbauen. Svetislav Milosavlejevic ist auch eine permanente Ausstellung seiner Amtszeit im Regierungsgebäude gewidmet. Während der 30er Jahre war Banja Luka das Organisationszentrum für antifaschistische Aktivitäten, besonders im Studentenverein und der Organisation "Pelagic". Im zweiten Weltkrieg besetzte die deutsche Wehrmacht die Stadt, die daraufhin unter kroatische Verwaltung kam und sehr unter dem Terrorregime der kroatischen Ustascha gelitten hat. Die Stadt wurde sowohl von deutschen, als auch von den alliierten Truppen bombardiert. Am 22.04.1945 wurde die Stadt von Marschall Titos und seiner Partisanenarmee eingenommen und dieser Tag wird noch heute als Tag der Befreiung gefeiert

Im jugoslawischen Bundesstaat wurde Banja Luka zu einem starken Wirtschaftszentrum und zu einer Universitätsstadt ausgebaut. Von einem schweren Erdbeben wurde Banja Luka am 26. und 27. Oktober 1969 heimgesucht; 15 Todesopfer und über 1000 Verletzte waren zu beklagen und die Stadt schwer beschädigt hat. In einem Zeitraum von 5 Jahren wurden aber die Schäden an den Gebäuden wieder behoben und die Denkmäler restauriert.

Im bosnischen Bürgerkrieg war Banja Luka zwar nicht direkt von Kampfhandlungen betroffen, aber die Regierung der SDS, der "Serbisch demokratischen Partei", die die Wahlen von 1990 gewonnen hatte, fuhr eine brutal nationalistische Linie und konzentrierte sich vollkommen auf die "Verteidigung der Interessen des serbischen Volkes". Als erstes wurden Direktoren der öffentlichen und staatlichen Firmen, wenn sie der nicht - serbischen Bevölkerung angehörten oder nicht "linientreue" Serben waren ausgetauscht, dann begann die "Entfernung" aller Beschäftigten, die nationalen Minderheiten angehörten von ihren Arbeitsstellen. Es folgte die allgemeine Mobilmachung und alle, die sich nicht freiwillig meldeten verloren nicht nur ihre Arbeitsstelle, sondern auch das Recht auf ihre Wohnung. Viele kroatische und muslimische Männer wurden verhaftet und in Lager verschleppt, die Frauen wurden schikaniert, eingeschüchtert und misshandelt. Wer die Stadtverlassen wollte, musste hohe Gebühren zahlen, ihm wurde das Recht auf Wiederkehr abgesprochen und im Dokument wurde vermerkt, dass das Verlassen der Stadt freiwillig erfolgt ist. Alle sieben Moscheen, auch die berühmte Ferhadija (die unter dem "Schutz" der UNESCO als Weltkulturerbe steht), wurden ebenso wie viele katholische Kirchen zerstört. Die Züge mit den Deportierten aus den nordbosnischen Gebieten um Prijedor und Kozarac fuhren durch Banja Luka zu den Konzentrationslagern von Omarska, Keraterm und Trnopolje, die unter dem Kommando des berüchtigten Polizeichefs von Prijedor Simo Drljaca gestanden sind. Nochmals ein Literaturhinweis : Das Buch "Keraterm" des bosnischen Schriftstellers Muhidin Saric, der die Ereignisse um das Gebiet seiner Heimatstadt Prijedor und seinen viermonatigen "Aufenthalt" im serbischen Konzentrationslager "Keraterm" beschreibt.

Nach der Unterzeichnung des Dayton Abkommens im Dezember 1995 wurde Bosnien Hercegowina in die Förderation Bosnien-Hercegowina und die Republika Srbska zweigeteilt. Zwischen den beiden Teilgebieten der Republika Srbska besteht übrigens keine territoriale Verbindung. Der wenige Kilometer breite Korridor bei Brcko, durch den sie in der Vergangenheit miteinander verbunden waren, gehört heute zum Distrikt Brcko, der unter internationaler Verwaltung steht und zu keiner der beiden Entitäten Bosnien und Herzegowinas gehört.

Im Mai 1997 wäre es fast zu einem internen Krieg in der Republika Srbska gekommen, als sich verschiedene Gruppen der serbischen Parteien bekämpften und zu einem Sturm auf Banja Luka ansetzten. Bei den Wahlen haben meist die nationalistischen Parteien und so verwundert es nicht, dass im Mai 2000 sogenannte "spontane Volkserhebungen" den Wiederaufbau der Moschee Ferhadija verhindert haben, im Zuge derer es wieder zu zahlreichen Übergriffen gegen bosnische Moslems und diesmal auch Albanern gekommen ist.

Nach den Verfassungsänderungen vom April 2002 und nach den Wahlen vom Oktober 2002 gehören der Regierung der Republika Srpska erstmals Bosniaken und kroatische Bosnier an. Es gibt außerdem eine sehr mutige Tageszeitung: ""Nezavisne Novine" (Unabhängige Zeitung), die sich nicht scheut, das Netzwerk von Gangstern, Geheimdienstlern, Angehörigen von bewaffneten Sondereinheiten, pensionierten und aktiven Armeeoffizieren zu benennen, das besonders in der Republika Srbska aufgebaut wurde und das die Ermordung des serbischen Regierungschefs Zoran Djindic mitorganisiert hat. Eine fortschrittliche Initiative ist auch die, 1997 gegründete Frauenorganisation "Zenska Akcija Vidra", die sich um die Rechte der benachteiligten Frauen, meist muslimischer, und kroatischer Abstammung, aber auch von Serbinnen die in gemischten Ehen leben, kümmert.

Berndt Luef, 21.10.2004

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