Martin Krusche
Wellen

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Ich hatte ihre Brust mit dem Handrücken berührt. Oder sie mich. Das war völlig absichtslos geschehen. Aber da mein Gesicht gerade nahe an ihrem gewesen ist, ihr schwarzes Haar meine Wange streifte, habe ich sie atmen gehört. Nein, dieses kurze Aussetzen des Atems. Ich hatte den Klang im Ohr behalten. Wie der feine Luftzug über ihre Lippen strich, abbrach, um wieder eingesogen zu werden. Mit dieser kleinen Verzögerung des Innehaltens, in der ich einen Blick einfing, der sich vor mir verbergen wollte. Und ich bemerke, da verlief eine Bewegung in ihren Hüften, die sich für einen Moment hoben. Das alles war deutlicher gesprochen als jeder Wortschwall. Nichts Verräterisches. Nichts Geschwätziges. Ein knappes und elegantes Flüstern ihres Körpers. Ich staunte und war stumm. Eine Gedankenlosigkeit hätte diese Sätze ihrer Brust, des Atems, ihrer Hüften übertönt. Aber das und nichts sonst wollte ich klingen hören.

Dieses Flüstern hatte sich in einer Umarmung aufgelöst. In einer Art, wie sich Hände, Arme, Schultern, Hals und Haupt berühren, um in aller Verschwiegenheit laut zu werden, deutlicher. Um Ratlosigkeiten anzuzetteln, Verwunderungen, Verwirrung, alles was dem Verstand spottet, lächelnd, atemlos, nicht zu beschwichtigen und nicht zu täuschen. Dies wurde eine quälende Stunde, in der wir nicht hören wollten was wir hören konnten, in der sich nicht mehr stumm machen ließ, was sich uns erzählte.

Als diesen Abend unsere Zeit zur Neige ging und ich die Schöne nach Hause brachte, hielt ich den Wagen auf der Strecke kurz zwischen zwei Bogenlampen in einem fahlen Licht. Schraubte die Lehne des Sitzes nach unten, sagte zu ihr: „Leg dich auf mich.“ Sie schloß daraus das Falsche und erwiderte verdutzt: „Mitten in der Stadt? Wie stellst du dir das vor?“ „Leg dich auf mich, nichts sonst.“ sagte ich zu ihr. Die leise Erzählung gedieh weiter, wuchs, für Momente. Danach vergingen Tage der Ahnungen.

Zu einer ganz anderen Stunde saßen wir im Dunkel. Stirn an Stirn. Während ihr Mund nach mir faßte, hörte ich den Reißverschluß ihrer Strickjacke, der mit einer kräftigen Geste nach unten gezogen wurde, daß ich an meinem Knie jenes kleine Beben spüren konnte, welches ihre herabfahrende Hand auf ihrem Oberschenkel ausgelöst hatte. Während sich mein Blick in ihren Augen festsog. Nun war es weder Zufall noch Absichtslosigkeit, worin mir ihre Brust freilang. So wie sie diese Geste ohne ein Wort vollzogen hatte, ihr Atem über unsere Oberlippen fuhr, war es ein anderes Mal dieser eine, kurze, kleine Satz, mit einem eigentümlich rollenden R gesprochen: „Berühre mich.“

Dieser Satz ist mir seither immer vom Dunkel umgeben. Wäre es hell um mich, würde ich meine Augen schließen. Er ist von heißem Atem auf den Oberlippen begleitet. Führt zu diesem sanften Zugreifen, das die Hitze steigen läßt. Ich weiß, das sind Dinge, die sich andere für einen einzigen Abend wünschen. Uns verstrichen dazu viele Tage. Bis ich die Stoffe kannte, unter denen ich die zarte Haut ihres Bauches finden würde. Der meine Hand schließlich willkommen heißen mochte. Kein anderer Weg, den Bund rund um die Hüften zu lockern. Niemals wäre ich den Pfad über die Schenkel gekommen. Denn sie sind auf eine andere, drängende Art begehrlich und zugleich schreckhaft. Flüchtig. Vorschnell. Bis sich Schenkel in Ruhe öffnen, muß andere Aufregung gefunden sein. Doch der Bauch nimmt eine gelassene Hand vergnügt auf. Etwas nervös freilich. Und weist ihr den süßen Weg zum Schoß, ist mitteilsamer, als es die Schenkel sind. In ihm liegt jenes Kräftespiel, das ja oder nein sagt, das den Schenkeln gebietet. Gibt Anlaß zum Verweilen, wo etwa eine Spur von feinen Haaren den Nabel berührt. Von da, vom Nabel abwärts, ist jede Eile verpönt. Wer an diesen Stellen kein Vergnügen findet, wozu sollte sich der noch weiter hier herumtreiben?

Ich bin ein Flaneur an den Rändern einer Wiese, die sich erschöpft. Jeder Halm saugt die Feuchtigkeit auf, schwillt, das Klima wird satt und schwer, meine Fingerspitzen werden davon trunken. Der Bauch erzählt es meinem Arm. Eine blühende Haartracht umweht meinen Mund und meine Nase. Ich lausche den kleinen Tönen, die wie aufgeschreckte Vögel meinen Kopf umkreisen. Während meine Rechte in die Wiesen vordringt, legt meine Linke sich unter dem losen Stoff auf eine der Brüste, umfangt da die empfindlichste Stelle bloß mit den unteren Gliedern von Daumen und Zeigefinger, um das Verlangen der Fingerspitzen zurückzudrängen.

Denn da schlagen Funken, lassen die Linie von der Brust zum Schoß entflammen, während sich der Zeigefinger meiner Rechten auf diese Lippen im Dunkel legt, als wollte er ihnen ein Seufzen verbieten. So seufzt nun der ganze Leib. Von meiner Hüfte sanft bedrängt, in meine Arme getrieben. Während mein Kinn jene Stelle am Hals sucht, wo ein weiterer Moment des Drängens Verwirrung stiftet, die sich langsam als Welle mitteilt, die den Leib meiner Schönen in ein Schwingen bringt, in ein Fließen, das von oben nach unten rollt, um dort mit der flachen Hand auf ihrer Scham entgegengenommen und zurückgespielt zu werden.

Während aber diese Welle durch den Bauch rinnt, zu den Brüsten hin, taucht mein Finger sanft zwischen die Lippen ein, um den Leib aus der Bahn dieser Welle zu werfen, die sich nun an meiner linken Hand auf der Brust, durch mein Kinn an ihrem Hals, an meinem versickernden Finger mehrfach bricht. Während ich sie mit meinem ganzen Körper auffange, die Bruchstücke der Welle, sie wieder zusammenfüge, rund werden lasse, fließend, so daß sie sich im Leib der Schönen aufschaukelt, von nur mehr sehr sparsamen Berührungen erneut zum Klingen gebracht, um sie schließlich laufen zu lassen, bis sie den Mund und den Schoß flutet, bis sie verebben will.


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