"Ich seh dich schon
als einen Neuverliebten," sagt Don Pedro, Fürst von Arragon, zu Claudio, Graf aus
Florenz, der sich in Hero, "Leonatos kurze Tochter", wie Benedikt, Edelmann aus
Padua, die einzige Erbin des Statthalters von Messina, der den Fürsten mit Gefolge nach
siegreicher Schlacht bei sich aufgenommen hat, abschätzig nennt, verliebt hat, und zwar
auf den ersten Blick: "Und unser Ohr bedroht ein Buch von Worten!" A book of
words gibt es ein anderes Buch? Sind die Worte der Liebe die einzig wahren Worte, weil
sie nichts als sich selber sagen, nichts sind als Klang? "Viel Lärm um Nichts"
ich breche die Lektüre an dieser Stelle ab, 1. Akt, Ende der 1. Szene. Bei Shakespeare
spielt sich alles in der Sprache ab, Rede ist Handlung. Das Gegenteil ist wahr, und das
Staatstheater ist dazu da, den status quo als kulturelles Erbe zu behaupten, mit
Shakespeare als dem meistgespielten Dramatiker der Gegenwart. 8. 8. 1998. Ich fahre mit dem Lift auf
das oberste Deck des Parkhauses Stiftgasse, in den 9. Stock, um "The Final Kick"
zu sehen, "Ballspielereien in Film und Video". Das Wanderkino hat eine Leinwand,
Sitzbänke und ein Zelt für den Projektor aufgestellt, obwohl das Deck überdacht ist.
Die ersten 9 Minuten des Abends zeigen ein Wasserballspiel, "Water Pulu" von
Ladislav Galeta, YU 1988, 16 mm. Die Aufnahmen sind so ausgewählt, daß der Ball in der
Mitte der Leinwand verharrt. "Wie nicht sprechen" heißt
ein Vortrag von Jacques Derrida. Der Titel ist am Telefon entstanden, in Yale, als Derrida
gebeten wurde, einen Arbeitstitel für das vorläufige Programm des Jerusalemer
Kolloquiums über "Abwesenheit und Negativität" anzugeben. Das Fluchtverhalten
angesichts jedes Vortrags "wie vermeiden zu sprechen, und zunächst sich auf ein
Thema zu verpflichten, indem man einen Titel gibt, noch bevor man seinen Text
schreibt?" hat Derrida den Titel diktiert: Wie sprechen, "um die Verantwortung
für ein Versprechen zu übernehmen?" Beim Wort bleiben, das Thema wörtlich nehmen.
"Nichts", und mir ist alles erlaubt. Solange ich schreibe, kann ich sprechen.
Als Schriftsteller kann ich alles versprechen, das heißt verlesen oder vorlesen.
"Wie nicht lesen" müßte der Titel von Derridas "Verneinungen"
lauten. "Das Sein und das Nichts. Versuch
einer phänomenologischen Ontologie" ich verstehe Jean-Paul Sartre nicht mehr, den
ich mit 16 gelesen habe, alles, was ich von ihm lesen konnte, Philosophisches,
Erzählerisches, Dramatisches Sartre ist mir fremd geworden, das Freiheitsbewußtsein als
Bewußtsein der Angst, das Nichts im Herzen des Seins. Ich halte nach 25 Jahren wieder
dieses Buch in der Hand, von dem ich mir auch eine Originalausgabe gekauft habe, ohne sie
lesen zu können ich habe in der Schule Altgriechisch als Inbegriff von Bildung, das
heißt des Überflüssigen, gelernt , und ich bin bestürzt über den Umfang der
Übersetzung 786 Seiten zu 44 Zeilen zu 68 Anschlägen. Buch-Sein bewahrt vor dem Nichtsein. 8. 8. 1998. Heute ist das 6-Tage-Spiel von Hermann Nitsch in Prinzendorf als Privatveranstaltung zuende gegangen, nachdem der für "Veranstaltungs- und Wasserwesen" Niederösterreichs zuständige freiheitliche Landesrat Hans Jörg Schimanek, der das Wiederbetätigungsverbotsgesetz, nach dem sein Sohn verurteilt worden ist, skandalös findet, versucht hatte, die öffentliche Veranstaltung zu verbieten. Die dreibändigen Materialien zum Orgien-Mysterien-Theater definieren das Nichts durch den Geschmack von "(leitungs)wasser/(soda)wasser/(mineral)wasser/ (quell) wasser" und den Geruch von "(leitungs)wasser/(heisse[m] wasser/lavendelwasser/franzbrand(wein)/weingeist". [...] [Textauszug! Volltext als RTF-Datei downloadbar.] |
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