"Über
das Wünschen" Von Martin Krusche
Ich will diesen Wunsch nicht durch
Einwände verkleinert sehn. Ich will nicht hören, was Lebensklugheit daran
zurechtzurücken hätte. Ich will mir diesen Wunsch so erhalten, wie er entstanden ist.
Und ich weiß, daß Wünschen so geht. Genau so. Wider alle vernünftigen Bedenken. Ich
weiß, daß Wünschen so geht, weil auch mein Kind so wünscht. Auf diese kompromißlose
Art. So bewahre ich den Anspruch darauf, daß
dieser Wunsch nicht geschmälert werden darf. Dieser Anspruch meint den Wunsch selbst,
nicht seine Erfüllung. Das ist ein wichtiger Unterschied. Darin bin ich anderen Menschen
gegenüber auch streitbar. Unter all den Eigenschaften, die mir an
diesen und jenen gelegentlich unerträglich erscheinen, halte ich zwei für besondere
Zumutungen. Die Achtlosigkeit und die Gewalttätigkeit. Jede Kränkung, die man jemandem
zufügen kann, scheint von diesen beiden Neigungen inspiriert zu sein. Viele, die das
trifft, haben nie einen Weg gefunden das von sich zu weisen. Zu verhindern. Oder auch
bloß angemessen darauf zu antworten. Denn wo man mit gleicher Münze
zurückzahlt, verdoppelt man die eigene Bitterkeit. Und wo man darauf nur mit Schweigen
reagieren darf, vertieft man die eigene Bitterkeit. Beides scheint die Achtlosen wie die
Gewalttätigen zu bestärken. Die Bitterkeit macht manche ohnmächtig. Andere grausam.
Viele aber stumm. Ich habe meine Vorstellungen davon. Als
Beispiel einer Dutzendgeschichte. Als Sohn eines überaus gewalttätigen und amoralischen
Vaters. Sowie einer Mutter, die dem kaum etwas entgegenzustellen wußte. Also weiß ich
recht verläßlich: jede Demütigung, jeder Schlag hinterläßt eine Spur und ein Echo. Eine Seite in mir ist damit
unversöhnlich. Eine andere läßt mich Auswege suchen. Ich weiß nicht all zu viel
darüber. Denn man bleibt in diesen Dingen befangen, kann kaum zu sich selbst auf Abstand
gehen. Jede Demütigung, jeder Schlag ist eine Vernichtung von unverzichtbarer Distanz.
Das ist aber nicht, was ich mir unter Nähe vorstellen möchte. Denn zur Nähe sagen zwei
ja. Zur Distanzlosigkeit nur einer. So verhält es sich auch mit der
Achtlosigkeit. Und der Gewalttätigkeit. Dazu sagt jeweils nur einer ja. Überwältigt so
den anderen. Das ist unannehmbar. Daraus bin ich zu einem Anhänger der Poesie geworden.
Etwas das sich vom griechischen Wort „poesis“ herleitet. Was so viel wie machen,
anfertigen bedeutet. Also etwas zum Entstehen bringen. So bin ich als Anhänger der Poesie
jemand, dem es gefällt, wenn etwas entstehen kann. Daran finde ich Vergnügen. Entgegen
dem recht verbreiteten Vergnügen etwas zu zerstören. Das bringt einen auf Ideen, was man den
großen Grobheiten gegenüberstellen könnte. Vielleicht nicht als Antwort. Aber als
Entgegnung. Wo Kummer entsteht, werden manche Betroffene eventuell nicht antworten
können. Entgegnen können sie doch immer etwas. Wenn es keine Worte sein wollen, dann
vielleicht ein Blick. Ein Gefühl. Ein Wollen und ein Wunsch. Ich halte Entgegnung für
unverzichtbar. Daß sie auch noch gehört, von anderen wahrgenommen werden könnte, wäre
ein weiterer Gewinn. Heute denke ich: die angemessene
Entgegnung auf die Achtlosigkeit ist Aufmerksamkeit. Denn wenn das eine unerträglich ist,
dann muß es etwas anderes geben. Ohne diese Gewißheit wäre jede dieser Bürden
unfaßbar. Noch bevor ich für etwas Kraft aufbringe, muß ich dessen Sinn kennen. Es
liegt viel Sinn darin, sich gegen eines zu wehren, wenn man annehmen darf: es gibt ein
anderes. Verliert man diese Annahme, ist der Sinn in Gefahr und Widerstand gegen die
Peinigung wird als Möglichkeit aussichtslos. Wenn mich jemand schlägt, wäre ich
geneigt zurückzuschlagen. Da will ich nicht heucheln. Ich bin ein Mensch von starken
Emotionen. Mühsam zivilisiert. Aber. Eine bemerkenswerte Entgegnung wäre das nicht:
zurückzuschlagen. Wenn also eines unerträglich ist, was wäre dann das andere? Ich weiß
nur eine Antwort darauf. Die Zärtlichkeit. Sie ist die Entgegnung. Und die Antwort auf
Gewalt. Sie ist die Poesie, die etwas entstehen lassen will, wo das andere zerstören
möchte. Sie ist kein sicheres Mittel, um in den
Lauf mancher Dinge wirksam einzugreifen. Achtlosigkeit und Gewalttätigkeit brauchen auch
andere Entgegnungen. Manchmal sollte man wehrhaft sein. Wenn man es selbst nicht sein
kann, muß wer anderer dafür einstehn. Ich denke, man muß solchen Beistand fordern. Auch
wenn es gerade niemand hören will. Man sollte im Wünschen mutig sein. Die Wünsche sind nicht der Vernunft verpflichtet. Was auch meint: wenn einer gerade unvernünftig sein muß, könnte inzwischen jemand anderer vernünftig sein. So könnte der Wunsch lauten: steh mir diesen Augenblick bei, daß ich unvernünftig sein kann. Ich möchte wünschen! Wonach mir im Herzen ist. [...] [Textauszug! Volltext hier als RTF-Datei / 15 Kb] |
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