7. oktober 2002
heute ist der 6. oktober, aber ich habe eine vision, die mich befähigt, die ganze woche vorauszudenken:
die sache mit dem double wird langsam ein klassiker. du weißt natürlich nicht, worum es geht, liebes tagebuch, dann schau halt nach, was ich am 30. september über den be-dolfi geschrieben hab. über jenen, der sich als falsch herausgestellt hat.
mittlerweile will hier keine/r mehr aktiv werden, weil angeblich das double daran, und an sonst auch allem, arbeitet. in sachen vervielfältigungen fahren einige bereits jahrelang auf einem nebengeleis. es gilt als erwiesen, dass benita, die von der vorstellung besessen ist, außenministerin zu sein, nicht gleichzeitig fernsehschauen kann und im flugzeug sitzen. die missionen außerhalb der anstalt hat es faktisch nie gegeben. auch entspringen sie nicht – wie bei uns üblich – benitas einbildung. unsereins wird also schon jahrelang betrogen – auch diese frau ist nicht echt. weiterhin bleibt unser primarius, gelassen wie eh und je. was darauf schließen läßt, dass er die spruch-automaten selbst in den kehlkopf operiert hat.
die doublehysterie bringt mich auf gedanken, die „draußen“ ganz normal sind. zwar wurden mir entsprechende tabletten zur ankurbelung der irrealfunktionen verschrieben – mein geist nimmt das aber nicht an. die sorge, demnächst draußen eingewiesen zu werden, macht mich ganz krank. mir fällt auf, dass dem hendelbauer von seiner pufferfunktion im rauftrakt ein ziemliches watschengesicht geworden ist. wie wird das eines tages ausgegangen sein, wenn das so weitergeht und sein schädel endlich eine plattgewalzte fläche ist. wird er dann gehen müssen oder alleine stehen mit eingehautem gfries?

8. oktober 2002
mölzer sucht wieder schuhe. er ist ja dazu verdammt, für immer als spuk durch den gang zu schleichen. eine zeitlang waren wir der meinung, höhere mächte hätten ihm zwangsruhe verordnet. nachdem der polizist bei uns eingezogen war, galt die anstalt nämlich als fluchgesäubert. von da an hörte sich jegliche mölzererscheinung auf. nur mit dem geistigen nachlaß war uns eine bürde auferlegt worden. meine aufgabe bestand darin, vom wind hereingewehte flugzettel mit der aufschrift „mölzers unabhängiges blatt“ in eine gebundene form zu bringen. lothar höbelt, programmchef der bunten abende (und wolferls du-freund), bessert leider die seitennummern mit filzstift aus. er hat sich die numerische gewalt genommen. wir beide sind schon länger wie hund auf katz. sobald ich in die bibliothek will, paßt mich der lothar an der ersten ecke ab und reißt mir das neueste buch aus der hand. er ist vermutlich träger der gesammelten witze und ein nullenfetischist.

9. oktober 2002
ab heute nenne ich mölzer „andreas“. der mann ist zum niederschmusen göttlich. zwar renn ich jetzt wieder barfuß herum, aber es drängt den armen halt, schuhe in die speis zu schlichten. selten ein nachteil, der nicht ebenso vorteil wär. seit heute ist klar: weh ist oftmals auch wohlergeh. kein flugzettel kommt uns mehr ins haus. der urheber lebt seine großen ideen lieber körperlich vor. mir bleibt die zettelbinderei erspart, und lothar kann sich die seitenzahlen aufs hirn malen. ein heiliger, dessen geist eine rekordverdächtige spirale dreht und der, anstatt sich schriftlich zu überliefern, leibhaftig die hand auflegt, verbietet sich eine nummerierung – er ist und bleibt die nummer 1. besonders erwähnenswert daher: sein du-wort-antrag. ich habe mich, glaub ich, verknallt. und weil das führerprinzip, wie andereas sagt, „nach 1945 ein bisserl aus der mode gekommen sei“, einigen wir uns außerhalb der abnormalität stillschweigend auf das wort des großen kopfes. der gugglhupf ist wahrscheinlich die letzte menschwürdige oase. nur lothar läßt seinen unmut in form einer frühstücksbeschimpfung los: „du politologische unmoral, du.“

10. oktober 2002
kein unterschied mehr zu draußen. ich werde noch verrückt. andreas ist die reinkarnation seiner eigenen verdammnis, zugleich hergehauchtes wesen UND lebendiges original. er muß seine neuen gehwerkzeuge nun selbst entsprechend beschuhen. in doublezeiten wie diesen handelt es sich daher um eine neue form der evolution, um die höchste entwicklung der entwicklung, um ein auf die spitze getriebenes austausch- und auslaufmodell, das sich innerhalb der entstehung permanent selbst überholt. andreas erscheint mir überall. sogar unter den fingernägeln brennt es scheußlich-schön.

11. oktober 2002
vergängnis und geburt sind also eins geworden. andreas kreiert gebrauchssätze für die eintagshausordnung. dazu gebührt ihm tafel und kreide. endlich hat auch lothar eingesehen, dass sein frühstücksei für nichts die verantwortung trägt. er kommt der position, die ihm vorschwebt, aber nie in die näh, also spukt er vor dem zubettgehen drei mal auf die mölzerischen tagsätze, womit auch lothar seine rolle in sachen „auslöschung“ gefunden hat. anstatt mit einem schwamm das ganze wegzuwischen, schmiert lothar alles in die schlafrockmanschetten. bald wird ihm ein gipsarm die arbeit versauen.

12. oktober 2002
der hendelbauer kann seine ernte nicht einfahren. gehrer, die umgeschulte exhilfslehrerin, versucht nämlich beharrlich, beige eier auszubrüten. andreas weigert sich aber, reichholds ersatzlösung „kräuterzucht auf hühnermist“ als tagesschwerpunkt an die tafel zu schreiben. kreide wird ab heute als verbotene droge gehandelt. schon zweimal hat sich ein pfleger nach einer zimmerkontrolle selbst bereichert.

13. oktober 2002
unser gugglhupf ist nach dem aufstehen wieder zu bett gegangen. vollzählig. niemand wollte meinen protestdienst mit mir tauschen. ich bringe ein historisches opfer! die tageslosung „alles schläft aus“ sollte als kult in die anstaltschronik eingehen. versehen mit dem vermerk „gugglhupf gertl mußte freiwillig verzichten!“

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