The Lafayette-Suite: Texte "Plugged in" Der Maler Franz West zitiert auf seiner Website Monsignore Otto Mauer: "Kunst ist das, was einer, der von Kunst Ahnung hat, für Kunst hält." Ist den beiden Herren, renommierte Akteure österreichischen Kunstgeschehens, zu glauben? Das ironische Augenzwinkern Wests läßt sich kaum übersehen. Kunst als Verhandlungssache. Keine "ewigen Werte"? Aber wo wird das verhandelt? Und von wem? Genügt es Ihnen unter sich zu bleiben? Wird diese Publikation auch außerhalb der wissenschaftlichen Welt wahrgenommen? Von wem möchten Sie gelesen und gehört werden? Wer sorgt dafür? Sichtbarkeit! Otto Mauer war ein bedeutender österreichischer Förderer und Sammler zeitgenössischer bildender Kunst. Seine Behauptung deutet in vortrefflicher Knappheit an, wie Autorität und exponierte Position beitragen, einer Meinung Gewicht zu geben. Welche Rolle Medienpräsenz dabei spielen mag, muß ich hier wohl niemandem erklären. Ich bin Autor. Und ein früher Akteur der österreichischen Netzkultur-Szene. Daher mein Interesse an solchen Zusammenhängen. Inszenierung, Selbstinszenierung. Im staatlichen Fernsehen Österreichs klingt das so: "Das Kunstvolk und die Medien der Welt." Diese merkwürdige Formulierung stammt aus "Treffpunkt Kultur", einem einschlägigen TV-Magazin. Das Kunstvolk. Die Medien der Welt. Über solche Zuschreibungen möchte man sofort in einem kühlen Obstgarten meditieren: Kunst, Elitenbildung, soziale Distanz ... Medienstützung. Der längst übliche Hype im Kulturgeschehen, selbstrefenziell in die Öffentlichkeit gewuchtet. Gibt es Interesse, solche Selbstüberhöhungen zurückzunehmen? Eine gute Position auf dem Markt scheint nahezulegen, daß man diese Vorgänge bedient. Technische Innovationen Da selten eine neue Technologie mit solcher Schubkraft in den Alltag der Menschen gefahren ist wie die Mikrocomputer und deren weltweite Vernetzung, floriert die Legendenbildung um deren Nutzen und Nachteile wie der Regenwald, wenn's regnet. Ich bestaune dieses Wuchern von Vorstellungen seit Mitte der 1980er-Jahre. Zugleich verblüffen mich die scharfen Ungleichzeitigkeiten dessen, was sich im Kulturbereich an Konsequenzen praktisch zeigt. An Auswirkungen und auch an manchen Verzögerungen. Immerhin, man fragt nun häufiger, was denn Literatur und die sogenannten "Neuen Medien" miteinander zu schaffen hätten. Hypertext sei etwas grundlegend anderes als das herkömmlich lineare Verfahren des Schreibens. Und so weiter und so fort. Dieser Aspekt interessiert mich wenig. Aus der Ära des linearen Textes sind genug Beispiele bekannt, wie seine spezielle Dimensionalität im Experiment aufgebrochen werden will. Neue Medientypen werden die Experimentierfreude Schreibender weiterhin anregen. Unsere Werzeuge verändern unsere Physis. Oder gehen zu Bruch. Ein Beispiel. Tastaturen halten bei mir nie lange, weil ich jenen Tastenanschlag, den ich auf alten Typenhebel-Schreibmaschinen angenommen hatte, beim Umstieg auf Computer beibehielt. In meiner Nachbarschaft wird behauptet, man würde mich durch geschlossene Fenster hindurch arbeiten hören. Das Schreiben auf chipgesteuerten Maschinen verändert die "User" natürlich. Aber das ist hier nicht mein vorrangiges Thema. Diese Werkzeuge mögen sich auch auf die Arten des Erzählens auswirken. Es gibt sehr inspirierte Leute, die der vernetzten EDV neue literarische Gattungen abringen. Mich beschäftigt vor allem die Auswirkungen der jetzigen Mediensituation auf den Kulturbetrieb. Mich interessiert dieser Betrieb in Wechselwirkung mit politischen Agenturen. Mit Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft. Und welche Rollen Autorinnen, Autoren darin finden wollen, können. Wie sich das strukturell auf unsere Arbeit auswirkt. Darauf möchte ich hier eingehen. Aus langjähriger Praxis. Ich befasse mich seit rund einem Jahrzehnt mit den Möglichkeiten, das kulturelle Geschehen in telematische Situationen hinein zu erweitern. Der Akzent liegt auf "erweitern". Es geht mir nicht um ein Abhauen in die Virtualität, sondern um eine Extension menschlicher Realitätsvorstellungen. Um neue Möglichkeitsräume als Ergänzungen. Medienmix Das meint nicht einen Switch in der Mediennutzung, sondern erweitere Medienkompetenzen der Handelnden. Schließlich ist hier von keiner Ablöse eines Medientyps durch einen anderen die Rede. Eher von einer neuen Gesamtsicht und -nutzung der Medien. Medienkonvergenz ist ein sehr brisantes Thema. Das Ineinandergehen ursprünglich getrennter Medientypen bringt ein beachtliches Veränderungspotential in die Mediensituation. Erinnern Sie sich noch an die Annahme, Video würde die Kinos ruinieren? So ist es aber nicht gekommen. Eine Videoverleiherin hat mir erzählt: "Neunzig Prozent meiner Kunden sind Jugendliche. Wenn ein Film im Kino toll ist, schauen sie ihn sich auch auf Video an. Und wenn's im Kino keine tollen Filme gibt, holen sie sich bei mir welche." So also entwickeln sich Medientypen mitunter zueinander. Die Fotografie konnte dem Tafelbild nichts anhaben. Weder Comix noch TV haben das Buch beschädigt. Vernetzte EDV wird ihre Vorgängermedien kaum abschaffen. Aber das Setting neu definieren. Seit meiner Kindheit erlebe ich, wie gängiger Kulturpessimismus sich irrt. Noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte hatten wir so breiten Zugang zu Literatur und anderen Kulturgütern. Auch wenn manche Autoren gerne beklagen, daß sie zu wenig rezipiert würden. Auch wenn manche Kulturhüter immer wieder andere Stoffe vorschlagen als Menschen eigenständig wählen. Wir sind offenbar geneigt, uns mit komplexen Wechselwirkungen von Medientypen einzurichten. Die Erweiterung und Verdichtung von Kommunikationsmöglichkeiten lädt zu neuen Elitenbildungen ein. Literarität auf der Höhe der Zeit verspricht Vorteile. Bezahlt werden. Publiziert werden. Gelesen werden. Diese grundlegenden Erwartungen dürften Aktive der Literatur und der Literaturwissenschaft teilen. Was dabei die Sicherheit der Quelle und die Glaubwürdigkeit des Zertifikats angeht, scheint Papier den elektronischen Formen noch überlegen zu sein. Bei der wichtigen Frage "Wo kommt das Geld her?" haben sich bis heute weder Websites noch E-Books als überzeugende Quellen (des Geldes) erwiesen. Wenn man vom Versandgeschäft absieht, in dem konventionelle Bücher verkauft werden. Mail order magic. Allerdings ist das Web ein Reich der "neuen Räume", wo vor allem eines generiert werden kann: Öffentlichkeit. Und das ist es, worauf sich Literatur und Bücher ja ständig beziehen. [...] [TEXTAUSZUG! 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