Beitrag #10
Sixth Annual Conference on Austrian Literature and Culture

Ohne Schlußsatz
Von Martin Krusche


Es erschien mir als junger Leser recht merkwürdig, daß Elias Canetti den Tod für eine unerträgliche Kränkung hielt. Das kann einen nur erstaunen, wenn man in dieser Welt noch ganz unversehrt geblieben ist, Gewalt oder gar Todesnähe nicht erfahren hat. Wurde man je an seinem Leben bedroht, bleibt eine Wunde offen. Für den Rest der Zeit, die man hat.

Viele unter uns machen solche Erfahrungen. Aber sie müssen das meist als etwas Privates für sich behalten, tragen, ertragen. Ab und zu wird diese Art der Kränkung ihrer kulturellen Privatheit entrissen. Wie eben in New York.

Kann man sich vorstellen, daß auch nur EIN Mensch leichten Herzens stirbt, wenn Gewalt über ihn hereinbricht? Ich glaube das nicht. Die schrecklich hohe Zahl der Toten lenkt vielleicht von dem ab, was gemeint ist, wenn man sagt: Jedes Leben zählt. Dennoch ist Maßlosigkeit eine Vertiefung des Schreckens.

Ich bin überzeugt, daß Rache weder den Schmerz mildert, noch das Leben würdigt. Um diese beiden Dinge geht es aber letztlich. Wie kann das gelingen? Ich weiß, offen gesagt, im Moment noch keinen Schlußsatz, keine Schlußfolgerung

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