Abstracts Marc-Oliver Schuster, University of Toronto Das Interesse von Hans Carl Artmann für "tiefe", populäre Kulturformen erstreckte sich bekanntlich auch auf den Film. Lange bevor etwa Drakula und Vampirismus im Verlauf der 80er neues massenmediales und literarisches Interesse gewannen, gehörte dieses Motiv zum Standardrepertoire in seinen dramatischen, lyrischen, und Prosatexten. Zahlreiche Interviews sowie literarische Passagen bezeugen, daþ seine Verweise auf Filme, Filmgattungen und -techniken nicht primär dazu dienen, die ohnehin erstaunliche Intertextualität seines Werkes zu erhöhen. Die bisherige spärliche Forschung erwähnt die Funktionen des Filmischen in Artmanns Werk nur am Rande und unsystematisch. Ich möchte anhand zahlreicher kurzer Textbeispiele zeigen, daþ und wie Artmanns Verwendung des Filmischen zum Kernbereich seiner Ästhetik und Textgestaltung führt. Zur Sprache kommt dabei die Funktion von Filmen als aufgewertetes Produkt von (amerikanisierter) Trivialkultur gemäþ seiner Devise, "Trivialliteratur zu erhöhen und Hochliteratur ohne Häme, a bissel liebenswürdig runterzudrücken". Filmrezeption und Kinoatmosphäre gelten ihm zudem als Modus der Einstimmung; darin artikuliert sich im Zusammenhang mit seiner Abwehr von spezifischen, starken Einflüssen die Abneigung gegenüber literaturtheoretischen Autor/Text und Text/Leser Modellen. Stummfilme, schwarz-weiþ Filme und B-movies aus der Horrorfilmtradition werden in seinen Texten dazu benutzt, um realistische Erwartungen von vornherein auszuklammern. Da er realistischen Ansprüchen nicht mit anti-realistischen Gesten entgegnet, ist dieses Prinzip seiner Ästhetik als A-Realism beschreibbar. Ein anderer wesentlicher Bezugspunkt zu Filmen betrifft das Format der Serie, v.a. in der Gestalt von (abenteuerlicher) action als Addition vonHöhepunkten. Im Gegensatz zu linearer Aufbauarbeit und Entwicklung bevorzugt seine Ästhetik das Format der (unvollständigen) Serie oder Sequenz von Episoden. Harte Schnitt- und Montage-Techniken verweisen auf surrealistische Filme. E.M.Forsters Begriff des plot im Gegensatz zur story ist ein Modell menschlicher Handlung mittels Kausalität welches Artmanns Ästhetik fremd ist und nur von ihm nur ironisch verwendet werden kann. Artmann sah nicht nur sein eigenes Leben als Film-"man sieht rückblickend wie im Kino alles gerafft und nur die Höhepunkte"-sondern auch den idealen poetischen Text. In der von ihm postulierten literaturtheoretischen Perspektive, die man mit Roland Barthes als strukturalistisches studium Interesse verstehen kann, zeigen sich Inhalte statisch-strukturell wie in einem Filmrahmen oder auf einer Leinwand. Was zählt, ist der umfassende Raum, der Gelegenheit bietet, um Zeichen artistisch-artifiziell zur Schau zu stellen. Artmanns bekannte Vorliebe für das Geographisch-Räumliche führt letztlich zumModell des absoluten, Newtonschen Raumes. Dies veranschaulicht das Fundament seiner Ästhetik, nämlich das Prinzip von Saussurescher statischer Synchronie. Ich möchte meinen Vortrag beenden mit dem Vorschlag, Artmanns Werk als reines Beispiel semiologisch-strukturalistischer Synchronie zu lesen. Dies setzt Artmann in Opposition zu ästhetischen Kommunikationsmodellen, etwa zum Konzept kommunikativer dynamischer Synchronie, welches Roman Jakobson einmal im Zusammenhang mit dem Betrachten eines Filmes diskutierte. abstract-liste | core | home | kunstraum.gleisdorf [4601] |
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