Die Kunst im Zeitalter ihrer ökonomischen Verwertbarkeit (Ein Entwurf)
Von Monika Mokre

Thema dieses Textes sind zwei Ausschnitte der Realität und ihre gegenseitige Beeinflussung:

• 1) die gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen, die von der allumfassenden Hegemonie marktwirtschaftlichen Denkens geprägt sind;
• 2) Formen von Kunst und Kulturarbeit, die sich als kritisch gegenüber diesem hegemonialen Modell begreifen.

Beide Erscheinungen stehen in einer langen Geschichte und sind durchaus mit Ausprägungen zu anderen Zeiten vergleichbar und beide Erscheinungen haben zugleich einzig- und neuartige Züge. Ein wesentliches Merkmal des Verhältnisses zwischen hegemonialem Gesellschaftsmodel und oppositioneller Kunst besteht wohl im "Endsieg" des Kapitalismus nach 1989, der mehr oder weniger schlagartig alle alternativen Gesellschaftsmodelle und Wertmuster (zumindest der Ersten Welt) zerstörte. Ein zweites Merkmal ist m. E. die "Konstruktivität" oder – anders gefasst – fehlende Radikalität vieler Formen zeitgenössischer oppositioneller Kunst und Kulturarbeit, die sich nicht wie Dada, die Situationistische Internationale oder auch Punk Rock durch die absolute Negation des Bestehenden definiert, sondern sich in ihrer politischen und theoretischen Arbeit innerhalb des Systems oder eng an dessen Grenzen bewegt.

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Die Kombination eines nicht paranoiden (weil fast allmächtigen) Hegemons mit einer gesprächsbereiten und konstruktiven Opposition ermöglicht die Vereinnahmung Letzterer durch Ersteren. Viel spricht dafür, dass genau das laufend stattfindet, dass Diskursformen des freien Marktes so allumfassend sind, dass sie alle Formen von Opposition und Kritik durchdringen. Rein kommerzielle Zielsetzungen der Kreativwirtschaft werden durch die Umschreibung "ökonomisch und/ oder gesellschaftlich relevant" auf jegliche Form von Kunst und Kulturarbeit umlegbar, die sich nicht als streng auratisch begreift – und KünstlerInnen und Kulturschaffende nützen dankbar jedes Feigenblatt für das eigene Bemühen um Finanzierung. Sozialkritische Kunst wird durch ebenso geringfügige sprachliche Korrekturen zur Verlängerung systemstützender Sozialarbeit. Kritische MigrantInnenkulturarbeit wird durch die Vereinnahmung durch massenkulturelle Events zur belanglosen multikulturellen Belustigung. Die Bewertung künstlerischen Erfolgs nach Publikumszahlen und finanzieller Eigenleistung setzt sich im "alternativen" Segment als – entsprechend bescheideneres – Werben um BesucherInnen durch.

Hegemoniale Strukturen setzen sich indes nicht nur auf der Diskursebene durch, sie haben auch handfeste Auswirkungen auf die materielle Lebenssituation von KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen, die zunehmend gefordert sind, ihr Einkommen gemäß marktkonformer Kriterien zu verdienen. Dies führt unter anderem zu verstärkter Konkurrenz und Entsolidarisierung.

Andererseits ist es je nach Handlungsfähigkeit und politischem Willen der AkteurInnen selbstverständlich auch möglich, dass diese Entwicklungen in eine entgegengesetzte Richtung ausschlagen. Die tendenzielle Offenheit hegemonialer Diskurse kann zu ihrer Umwertung und Verfremdung benützt werden; die Reduktion der Versorgung des Einzelnen durch den Staat kann solidarisches Handeln auch fördern.
Folgenden Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang:

• Wie definiert zeitgenössische politische Kunst und Kulturarbeit sich selbst und ihre Ansprüche?
• Welche Rolle spielen dabei Vertretungsorgane, wie z. B. Interessensgemeinschaften? Wen und wessen Ziele vertreten sie auf welche Art?
• Welche Rolle spielen Kunst und Kulturarbeit der alternativen Globalisierungsbewegung?
• Verändert sich politische Kunst und Kulturarbeit durch die Möglichkeiten und Restriktionen der Medienentwicklung?
• Wie wirken sich die materiellen Lebensbedingungen von KünstlerInnen und Kulturschaffenden auf ihre gesellschaftliche Stellung und ihre politische Handlungsfähigkeit aus?
• Welche Lehren lassen sich aus den Erfahrungen historischer Formen politischer Kunst und Kulturarbeit ziehen?


Monika Mokre (little feature)
FOKUS (Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien)

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