Wenn etwas Provinz ist, dann das.
Von Hans Fraeulin

Lieber Martin,

ich bin Deiner Bitte gefolgt und habe mir gestern Nacht die Beiträge zu diesem Forum eingezogen. Wohin so ein Forum führt, hat mich erstaunt. Erst diskutiert man, wie Kultur und Kunstschaffende überleben können. Zum Schluss liegt man sich in den Haaren, wer wem ein Posting untergejubelt hat und wie ernst man einen solchen Fehltritt nehmen soll. Es hat mich erstaunt, aber nicht das erste Mal. Immer dasselbe! Wenn etwas Provinz ist, dann das. Es fällt mir daher schwer, etwas hinzuzufügen. Ich fange lieber von vorn an. Was macht die Kunst? - Die Kunst geht nach Brot. (Torquato Tasso, Goethe) Man hat mich aus der Redaktion der NZ herausgeschmissen, weil man fürchtete Schwierigkeiten zu bekommen, weil ich Ausländer war und immer noch bin. Ich habe dann den Sommer über in der Sporgasse Straßenmusik gemacht und mich auf Theaterabenteuer eingelassen. Wer weiß?

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Vielleicht wäre ich Journalist geblieben. Theater ist ein freies Gewerbe, wurde allerdings vor ein paar Jahren von der Sozialversicherung gekrallt. Freies Theater liegt bei gleich bleibender, tendenziell nachlassender Förderung in den letzten Zügen. Die IG Freie Theaterarbeit glaubt noch immer, 40% mehr Kosten bedeute 40% weniger Theater. In Wahrheit ist die Luft raus. Wer hat noch Lust sich in finanzielle Abenteuer zu stürzen? Vielleicht hilft folgendes, um klar zu werden:

Subvention ist eine Unterstützung der öffentlichen Hand zur Abwehr der Existenzvernichtung. Kommt eigentlich nur in Frage für Kunstschaffende und Landwirte, die sich sehenden Auges in die Scheiße geritten haben. Sonst gibt es Förderung und Preise. Förderung ist meist an Projekten orientiert. Mittelgroße Bühnen bekommen sie über drei Jahre, auch wenn die Projekte noch nicht fixiert sind. Das wird jedenfalls wortreich angestrebt. Preise sind selten.

Bevor bei mir der Lappen hochgeht, habe ich noch vor ein paar Jahren mit einem preiswerten, gleichwohl gutwilligen zehnköpfigem Ensemble auf der Pawlatschen 120.000 ATS verbraten - Probenpauschalen, Bühnenbild und all das. Das haben mir zwei bezaubernde Kunsthandwerkerinnen aus der Oststeiermark und die Stadtgemeinde Gmunden zu gleichen Teilen finanziert. Die Vorstellungen danach konnten wir billig anbieten. Die Fixkosten waren ja bezahlt.

Für den Landeshauptexdings Schachner haben wir deshalb für ein Appel und Ei spielen können, bekamen aber Probleme bei den Zwischenproben, weil der unselige Herr Schachner-Blasmusik meine Kapelle zeitgleich als Schankkräfte und Kellner für sein Jazz-Event missbrauchte.

Weißt Du, wie München zur Theatermetropole wurde? Nach 1968 erstritten sich die freien Theatergruppen vom Magistrat ein sattes Budget, um es selbst zu verwalten. Das hatte einen beispiellosen Theaterboom zur Folge. Das Theater 44 nannte sich so, weil es das 44. war. Es gab auch Pannen. Dem Prozessionstheater war der Keller abgesoffen und sie kamen um eine Extraförderung bei den anderen vorbei. Ist kein Problem, sagte der Leiter vom Theater rechts der Isar in der Pause, wo ich gerade Sepp Bierbichler als Kommissar in Dürrenmatts Physikern erleben konnte.

Dann kam Julian Nidda-Rümmelin als Kulturstadtrat und jetzt sogar Kulturminister zum Zug und sagte: Das mach ich selbst. Ich verteile jetzt das Geld. Er sprach von Evaluierung und objektiven Kriterien bei der Vergabe der Mittel. Binnen eines Jahres haben sechs renommierte Theater in München Konkurs anmelden müssen, darunter auch das rechts der Isar.

Mich erstaunt, dass in der kulturpolitischen Debatte hierzulande niemand erwägt, die Gelder für neue Kultur und innovative Kunst selbst zu verwalten. Natürlich macht das keinen guten Eindruck, wenn man sich in einem elektrischen Diskussionsforum bereits nach wenigen Tagen in den Haaren liegt. Ich denke, dass ist die Folge der Hirnwichserei, nicht darüber reden zu können, wieviel Butter bei die Fische gehört.

Darauf wird man seitens der Politik und der Verwaltung immer verweisen, wie unterschiedlich die Interessen und das künstlerische Potential der viel zu Vielen seien und dass es da der Entscheidung von Dritten, also von ihnen selbst bedarf. Wenn man aber an München denkt, in dessen Selbstverwaltung in den ersten Jahren bis zu seinem frühen Tod auch Rainer Werner Fassbinders Antiteater integriert war mit solchen Kapazundern wie Schygulla, Herrmann, Raab, Raben, Caven, die sich darin fügten, braucht man sich keine Sorgen zu machen, ob so ein Modell in der Steiermark oder anderswo scheitern könnte. Die genannten Herrschaften sind erst dadurch groß herausgekommen und haben auch nie vergessen, woher sie sind. Wenn ich an Filmkomponist Peer Raben denke, der nachher in den Kammerspielen auch als Theaterkomponist begeisterte, merke ich, wie durchlässig das geworden ist. Von Hoch- und Subkultur zu reden, tut man sich höchstens in Österreich noch an.

Ich will, dass Stoffe für das Theater oder den Film nicht 12 Jahre brauchen, um sie endlich zu zeigen. Das Risiko, die Themen seien längst abgelutscht, ist viel zu groß. Vergeudete Ideen bleiben zuhauf. Hollywood reagiert da ganz anders. Die Kulturpolitik hierzulande steht auf zwei Seifen und traut sich nicht sich zu bewegen, höchstens Schlittschuh-mäßig in der Duschen. Der müssen wir aufhelfen. Hirschmann sagt streng, wir nehmen das selber in die Hand. Wenn er ein Herz hat, wird ihn das Münchner Modell erleichtern.

Bleiben ihm Beiräte und Bypass-Operationen erspart. Aber er wird das nicht übers Herz bringen. Ein SPÖler ist weit und breit nicht in Sicht, die FPÖ beschäftigt sich mit den Muschis ihrer Sekretärinnen, bleiben nur die moralisch hochgeknöpften Grünen. Alles was recht ist, die sind für mich Kriterium, Leute, die ich erst anhöre, bevor ich was tue. Mir kommen die Grünen vor wie die Anhäufung von den Gescheiteln in der österreichischen Politik. Dorthin haben sie sich geflüchtelt, meistens aus der SPÖ. Darauf kommt es an: Raus aus der alten Partei! Und frisch wagen, um die eigenen Kräfte im politischen Spiel mit den anderen zu messen. Leider sehen die Grünen auch schon ganz alt aus - jedenfalls bei zeitgemäßer Kulturpolitik. Das macht mir Kummer. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend. Außerdem haben wir noch unsere Reserven.

Liebe Grüße,
Dein Hans.


Siehe auch: Das FokusForum

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