Legenden ... enden. Auch. (Ein Diskussionspapier) Von Martin KruscheDie autonome Initiativenszene, ein soziokulturelles Phänomen, das in Österreich vor allem von der Generation der 50er-Jahrgänge entwickelt und etabliert wurde, hat hier seine Strahlkraft verloren. In der Steiermark hat sich ein selbstreferenzielles Konglomerat gebildet, das sich ganz gut in den üblichen Betrieb einfügt. Als pragmatisch bewirtschaftetes Feld, mit dem Verwaltung und Politik noch viele Jahre passabel zurechtkommen werden. Das ist ganz okay. Spannend ist es nicht. [martin krusches telenovelas] Da wir hier eine Geschichte betrachten, die sich in den späten 70ern zu entfalten begann, Mitte der 80er durchaus zeigte, wo alles hinführen könnte, um sich in den 90ern auf eine moderate Mittellage einzupendeln, kann man feststellen: ein schöner Zeitbogen, auf dem es Höhepunkte gab. Heute wird eher zahnlos gedümpelt. Das ursprünglich "Alternative" als Regelbetrieb. Woran auch sporadisch Protestmomente mit erhöhtem Fax-Aufkommen wenig ändern. Denn derlei "Protestpotential" hält sich seit Jahren recht verläßlich im Rahmen dessen, was die jeweils dominante Kulturpolitik (egal ob ÖVP oder SPÖ) dem Feld als tolerabel zugesteht.Eine Generation vor uns hatte es schon durchgespielt. Die 40er-Jahrgänge haben im Steirischen einige Glanzpunkte gesetzt. Akzente, die sich etwa an einem steirischen herbst oder in einem forum stadtpark herauskristallisiert haben. Der Nimbus ist dahin. Die Sache changiert heute zwischen Marginalie und Staatsoperette. Was interessant ist: das jahrelange Nahverhältnis zur christlich-sozialen Kulturpolitik hat aus dem Avantgarde-Schuppen auffallend viele autoritäre und repressive Senioren entlassen, die sich nun, knapp vor dem Ausgedinge, noch einmal gegenseitig mit Pomp abfeiern. Wohldotierte Mittelschul- und Hochschulprofessoren, Hofräte als Wegbereiter, inzwischen Wegbegleiter "wahrer" zeitgenössischer Kunst. Diese Attitüde war stilprägend. Man kann heute längst auch unter den 50er-Jahrgängen Tendenz zum autoritären Senior feststellen. Die 60er-Jahrgänge? Warten wir ab. Während der 90er waren viele Wegweiser auf "Sponsoring" gestellt. Damit war wesentlich gemeint, daß große Betriebe große Summen in Großereignisse steckten. Stark auf "Hochkultur" gerichtet, wahlweise auf den Tourismus und seine Events. Entsprechende Fusionen wurden auch salonfähig. Der Typus Grazer Jazzfestival bei freiem Eintritt zeigte, daß kontinuierliche Basisarbeit an Spielorten und Publikum wirklich für die Katz ist, da doch jederzeit das landesfürstliche Personal in die Schatulle fassen kann, um dem Volk Vergnügungen zu bieten. Das führt uns weder einer kühlen aber klaren Marktsituation näher, noch einer Kulturpolitik, die privates Engagement wertschätzt und verstärkt. Es macht die ganze Situation bloß diffus. Die autonome Initiativenszene warf sich um so stärker in den trockenen Schoß steirischer Kulturpolitik. Was man etwa daran ablesen kann, daß eine IG Kultur Steiermark seit Jahren mit dem kulturpolitischen Personal mehr zu schaffen hat als mit der eigenen Basis. Diese Kulturpolitik beschäftigte sich inzwischen vor allem damit, sich selbst zu entpolitisieren. Das heißt ganz einfach: weder den Aspekt der Staatskunst (politiké), noch den des Gemeinwesens (polis) noch halbwegs ernsthaft zu bedienen. Derlei wird zunehmend ausgelagert. Etwa an Konstruktionen wie eine GesmbH, deren Geschäftsführungen dann natürlich einem offenen, kulturpolitischen Diskurs nicht verpflichtet ist. So betreten neue Player das Set, ohne auf all zu viel Widerstand zu stoßen. Auch wenn sie wie Generalagenturen auftreten und Künstlern gelegentlich Verträge vorlegen, die man eigentlich nur nach einer Lobotomie unterschreiben kann. [Quelle] Strenge Verwertungslogik zugunsten der Company. Da braucht einen auch nicht zu wundern, wenn der neue Kulturstadtrat von Graz eben noch Finanzstadtrat war. Das hat seine Schlüssigkeit. Der Umstand einer selbstgewählten Entpolitisierung der Kulturpolitik findet seine Belege in den kulturpolitischen Proklamationen, die immer mehr zu Werbebotschaften verkamen, wie sie in Tourismus oder Waschmittelwerbung üblich sind. Glänzende Befindlichkeitsprosa, von der ohnehin kein Mensch annimmt, daß darin Satzwahrheiten stehen, die jemand umzusetzen gedenkt. Was man allein schon daran erkennen kann, daß es an klaren, nachvollziehbaren, diskutierbaren Handlungsplänen fehlt, denen eine so oder so geartete Praxis folgen würde. Auf beiden Seiten. Bei der Kulturpolitik und bei deren Klientel. Kleine Übung gefällig? Lesen Sie einmal "Ziel der steirischen Kulturpolitik 2000 bis 2005" von Landeshauptmann Waltraud Klasnic: [Link] Danach fragen Sie: Was heißt das konkret? Wo kann ich dazu wenigstens einen Handlungsplan nachlesen? Wo erhalte ich Auskunft über ein diesbezügliches Maßnahmenpaket? Wer ist für die Umsetzung der einzelnen Punkte zuständig? (Ich wünsche viel Glück auf der Reise!) So hatte sich ein implizites Credo durchgesetzt: Partikularinteressen und Seilschaften. Neu? Ach wo! Auf diesem Feld gilt heute: die Theorie folgt der Praxis. Was ich gelegentlich an programmatischen Texten lese, dekoriert bloß den Status quo. Der geübte Survivor hat längst erkannt, daß der eigentliche Unternehmensgegenstand die Sicherung des nächsten Budgets ist. Das erweist sich bei manchen Akteuren als Feedbackschleife. Budgets sichern, um die Arbeit abzugelten, mit der man das nächste Budget sichert. Etwas Spin off an kulturellem Aufputz geht sich allerweil aus. [...] [Dies ist ein Textauszug. Den Volltext finden Sie hier als RTF-Datei zum runterladen.] |