"Knebelverträge" empören Projektpartner von 2003
2003-Partner erneut in
Aufruhr: "Wer 2003-Programm mitgestaltet, hat Kritikverbot!" Und der
Kulturstreit im Internet geht in nächste Runde.
VON BERND HECKE
Harmonisch und mit einem Schuss Sympathie umarmt der 2003-TV-Spot das Fernsehpublikum, der
europaweit auf die Kulturhauptstadt Graz neugierig machen soll. Doch hinter den Kulissen
des Kulturprojektes gibt es weiterhin Misstöne und Ärger in der Grazer Künstlerszene.
Verträge. Jüngster Aufreger in Kreisen der
2003-Partner, die unter dem Banner der Kulturhauptstadt Projekte umsetzen sollen:
"Die 2003-Gesellschaft hat uns Knebelverträge vorgesetzt. Da gibt es Pönalen, falls
wir 2003 kritisieren", erzählen einige künftige Vertragspartner, die angesichts
dieses Klimas aus Angst vor möglichen Sanktionen lieber anonym bleiben wollen.
Verbot. Tatsächlich beinhalten Vertragsentwürfe
heikle Passagen, die den Projektanten im Magen liegen. Das "Kritikverbot" ist in
aller "juristischen Unschärfe" formuliert. Demnach vereinbaren die
Vertragspartner für den Ersatz eines immateriellen Schadens Konventionalstrafen, die
teils bis zu sechsstellige Eurobeträge ausmachen. Einigen Kulturmanagern war dieser
Passus vorerst keine Unterschrift wert.
Interpretation. Für 2003-Geschäftsführer Eberhard
Schrempf sind das "Missverständnisse": "Das soll sicher kein
,Maulkorb sein, auch wenn es vielleicht so interpretierbar ist. Vielmehr geht es
darum, kontraproduktive Sponsorenverhandlungen unserer Vertragspartner zu verhindern. Wir
müssen diese Projekte ja für alle Seiten professionell abwickeln. Das sorgt bei jenen
Veranstaltern für Unruhe, die bisher gewohnt waren, von der Politik Subventionen ohne
derart strikte Vertragswerke in Empfang zu nehmen." Die 2003-Gesellschaft sei kein
Förderungsgeber, sondern Firma und Projektpartner, der eine Deadline habe und sich
rechtlich auch absichern müsse.
Vorgeschichte. Damit nicht genug: Im Internet geht
der Kultur-Guerillakampf weiter. Wie mehrfach berichtet, hat ja die 2003-Gesellschaft
einige vorab von Jürgen Kapeller und Martin Krusche registrierte Internet-Seiten, die
unter "graz2003" zu finden waren, "freigeklagt". Kritiker Krusche will
dieses verlorene Terrain im Datennetz zurückerobern: "Die Domaine ,2003.at
haben wir zwar verloren. Unsere Seiten graz2003.org und graz2003.com sind aber wegen einer
einstweiligen Verfügung nur vorübergehend stillgelegt. Diese dürfen wir sicher wieder
betreiben."
Neuer Wirbel. Geknebelt sind die Kultur-Internauten
durch die einstweilige Verfügung aber nicht. Zwischenzeitlich behilft man sich mit einem
neuen virtuellen "Paralleluniversum zu 2003", so Krusche: "In den nächsten
Tagen starten wir wieder eine Homepage." Ein neuer Wirbel scheint durch www.graz0815.at
angesichts des von Jörg Vogeltanz adaptierten 2003-Logos "Kulturpleite Europas"
garantiert.
2003-Geschäftsführer Schrempf schließt aber trotz dieser
Provokation einen weiteren Rechtsstreit aus: "Hier muss wohl die Freiheit der Kunst
gelten." |