2002-02-22 12:38
 

"Knebelverträge" empören Projektpartner von 2003

2003-Partner erneut in Aufruhr: "Wer 2003-Programm mitgestaltet, hat Kritikverbot!" Und der Kulturstreit im Internet geht in nächste Runde.

VON BERND HECKE


Harmonisch und mit einem Schuss Sympathie umarmt der 2003-TV-Spot das Fernsehpublikum, der europaweit auf die Kulturhauptstadt Graz neugierig machen soll. Doch hinter den Kulissen des Kulturprojektes gibt es weiterhin Misstöne und Ärger in der Grazer Künstlerszene.

Verträge. Jüngster Aufreger in Kreisen der 2003-Partner, die unter dem Banner der Kulturhauptstadt Projekte umsetzen sollen: "Die 2003-Gesellschaft hat uns Knebelverträge vorgesetzt. Da gibt es Pönalen, falls wir 2003 kritisieren", erzählen einige künftige Vertragspartner, die angesichts dieses Klimas aus Angst vor möglichen Sanktionen lieber anonym bleiben wollen.

Verbot. Tatsächlich beinhalten Vertragsentwürfe heikle Passagen, die den Projektanten im Magen liegen. Das "Kritikverbot" ist in aller "juristischen Unschärfe" formuliert. Demnach vereinbaren die Vertragspartner für den Ersatz eines immateriellen Schadens Konventionalstrafen, die teils bis zu sechsstellige Eurobeträge ausmachen. Einigen Kulturmanagern war dieser Passus vorerst keine Unterschrift wert.

Interpretation. Für 2003-Geschäftsführer Eberhard Schrempf sind das "Missverständnisse": "Das soll sicher kein ,Maulkorb‘ sein, auch wenn es vielleicht so interpretierbar ist. Vielmehr geht es darum, kontraproduktive Sponsorenverhandlungen unserer Vertragspartner zu verhindern. Wir müssen diese Projekte ja für alle Seiten professionell abwickeln. Das sorgt bei jenen Veranstaltern für Unruhe, die bisher gewohnt waren, von der Politik Subventionen ohne derart strikte Vertragswerke in Empfang zu nehmen." Die 2003-Gesellschaft sei kein Förderungsgeber, sondern Firma und Projektpartner, der eine Deadline habe und sich rechtlich auch absichern müsse.

Vorgeschichte. Damit nicht genug: Im Internet geht der Kultur-Guerillakampf weiter. Wie mehrfach berichtet, hat ja die 2003-Gesellschaft einige vorab von Jürgen Kapeller und Martin Krusche registrierte Internet-Seiten, die unter "graz2003" zu finden waren, "freigeklagt". Kritiker Krusche will dieses verlorene Terrain im Datennetz zurückerobern: "Die Domaine ,2003.at‘ haben wir zwar verloren. Unsere Seiten graz2003.org und graz2003.com sind aber wegen einer einstweiligen Verfügung nur vorübergehend stillgelegt. Diese dürfen wir sicher wieder betreiben."

Neuer Wirbel. Geknebelt sind die Kultur-Internauten durch die einstweilige Verfügung aber nicht. Zwischenzeitlich behilft man sich mit einem neuen virtuellen "Paralleluniversum zu 2003", so Krusche: "In den nächsten Tagen starten wir wieder eine Homepage." Ein neuer Wirbel scheint durch www.graz0815.at angesichts des von Jörg Vogeltanz adaptierten 2003-Logos "Kulturpleite Europas" garantiert.

2003-Geschäftsführer Schrempf schließt aber trotz dieser Provokation einen weiteren Rechtsstreit aus: "Hier muss wohl die Freiheit der Kunst gelten."